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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sollte es sonst sein, wenn nicht Sie. Sie sind doch der Jupiter, welchem ich mein Schicksal anvertrauen muß.“
    „Ah, treffender Vergleich! Und Sie sind die Leda, welcher der Gott in Gestalt eines Schwanes erscheint, um sich von ihr beglücken zu lassen.“
    „Pfui!“
    „Wieso? Ist diese griechische Mythe nicht schön?“
    „Nein, gar nicht“, antwortete sie schmollend.
    „Warum nicht?“
    „Weil Leda kein Weib sein kann, wenn sie mit der Liebe eines Schwanes zufrieden ist. Der Schwan ist ein Wasservogel, kalt und halb Fisch.“
    „Ah! Sie lieben die Wärme?“
    „Sogar die Glut.“
    „Und nicht die Gestalt eines Schwimmvogels?“
    „Nein, sondern die menschliche Gestalt.“
    „Aber in jugendlicher Form?“
    „Nein. Wird Zeus, wird Jupiter etwa als Jüngling dargestellt? Ich liebe das Fertige, das Ausgebildete, das Vollendete. Aber nur ein Mann in reiferen Jahren kann sagen, daß er nicht noch im Unfertigen sich abmühen muß.“
    „Mademoiselle, Sie entwickeln da wahrhaft großartige, künstlerische Anschauungen!“
    „Könnte ich ohne diese Anschauungen Künstlerin sein?“
    „Nein. Niemals. Wissen Sie, was zu einer echten Künstlerin gehört, Mademoiselle?“
    „Ich glaube, es zu wissen.“
    „Nun?“
    „Zunächst die erforderliche technische Schulung.“
    „Ganz gewiß. Die körperliche Fertigkeit. Ganz dasselbe habe ich der Amerikanerin gesagt.“
    „War sie einverstanden?“
    „Ja“, antwortete er in gedehntem Ton.
    „Hat sie Ihnen gezeigt, daß sie diese Fertigkeit besitzt?“
    „Nein.“
    „Wie unpraktisch und rücksichtslos, da doch Sie es sind, welcher das allein untrügliche Auge dafür haben kann. Sehen Sie, Exzellenz!“
    Sie schlug eine Pirouette, welche nicht toller sein konnte, und da sie denselben Anzug trug, mit welchem sie auch bei dem Chefredakteur gewesen war, so blieb bei diesem Wirbel, den sie um ihre eigene Achse schlug, dem gierigen Auge des alten Intendanten kaum ein Wunsch versagt.
    „War das gut gemacht?“ fragte sie.
    „Gewiß, gewiß! Pepita hat es nicht besser gemacht!“
    „Sie schmeicheln, Exzellenz!“
    „Nein, nein! Und da sie die Anmut einer Fanny Elßler besitzen, so –“
    Er lächelte verheißungsvoll vor sich hin.
    „Warum schweigen Sie? Sprechen Sie weiter!“
    „Noch nicht! Fast hätte ich mich von dem Zauber Ihres Wesens hinreißen lassen, eine Entscheidung auszusprechen, welche jetzt noch nicht am Platze ist.“
    „Und die mich doch so glücklich gemacht hätte!“
    „Noch weiß ich ja gar nicht, ob sie eine echte Künstlerin sind. Das Technische besitzen Sie; da wird es wohl keine Schwierigkeiten geben. Aber das andere –“
    „Sie meinen die Konzeption?“
    „Noch mehr. Ich meine den Geist, die Seele, das Empfinden, das Gefühl!“
    „Sollten Sie mich für geistlos halten können?“
    „Schwerlich!“
    „Oder für gefühllos?“
    „Das wäre zu beweisen.“
    „So beteure ich Ihnen, daß ich Gefühle besitze, Exzellenz, sehr natürliche Gefühle sogar.“
    „Zum Beispiel?“
    „Appetit.“
    „Sie Schalk!“
    „Wer kann Wein und Kaviar sehen, ohne den Wunsch zu fühlen, sich einladen zu dürfen.“
    „Im Ernst?“
    „Gewiß!“
    „So kommen Sie! Aber hier neben mich.“
    „Danke! Da sitze ich schon. Aber ich weiß nicht, ob Ihnen meine Art und Weise zu essen behagen wird.“
    „Nun, welche Weise ist dies?“
    „Ich speise in Gegenwart von Herren stets als Dame des Hauses. Sie müssen also jetzt einmal denken, daß ich ihre Gemahlin bin.“
    „Köstlicher Gedanke!“
    „Ich lege Ihnen vor. Darf ich nehmen, was mir schmeckt?“
    „Gewiß! Und wenn ich nun an Ihnen selbst mehr Geschmack fände als an diesen prosaischen Dingen?“
    „So ein Geschmack kann die Hausfrau doch nur beglücken, Exzellenz.“
    „Gut, so speisen wir jetzt als Ehepaar. Leiten wir das Mahl durch einige Küsse ein.“
    „Hier, Exzellenz! Ich hoffe, daß Sie eine gute Hausfrau an mir finden werden.“
    Das Frühstück nahm eine längere Zeit in Anspruch, als der Intendant sonst auf dasselbe zu verwenden pflegte, und als er dann der Tänzerin erlaubte, sich zu verabschieden, fragte diese:
    „Und wie lange haben Sie mit der Amerikanerin gespeist?“
    „Keine Minute.“
    „Nicht doch!“
    „Ich sage die Wahrheit.“
    „Ich will es glauben. Wann frühstücken wir wieder?“
    „Morgen, mein liebes Kind.“
    „Um dieselbe Zeit?“
    „Ja, kommen sie immerhin. Wir werden da Gelegenheit finden, uns über die Art und Weise zu besprechen, wie

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