62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen
begann:
„Sie scheinen meine Anwesenheit hier ungern zu bemerken?“
„Es gibt mehrere Tische hier.“
„Ich habe es aber nur auf diesen abgesehen.“
„Warum? Ist es Ihr Stammtisch?“
„Nein.“
„So begreife ich nicht –!“
„Sie werden sofort begreifen. Ich beabsichtige nämlich, hier an diesem Tisch einen Herrn Uhland zu treffen.“
„Uhland?“
„Ja. Rentier.“
„Ah!“
„Aus Rollenburg.“
„Mein Herr!“
Uhland schien verlegen geworden zu sein. Seidelmann aber fuhr unbeirrt fort:
„Der eine Verwandte besitzt, welche Malerin ist.“
„Uhland heiße ich. Was wollen Sie von mir?“
„Sind Sie wirklich von Rollenburg?“
„Ja.“
„Aber Rentier sind Sie nicht!“
„Wie kommen Sie mir vor? Habe ich Ihnen denn gesagt, daß ich Rentier bin?“
„Nein; aber anderen machen Sie es weis!“
„Wem denn?“
„Einer gewissen Magdalena Weber.“
Der Fremde verfärbte sich. Er musterte den Schuster genauer, konnte sich aber unmöglich entschließen, ihn für einen verkleideten Polizisten zu halten; daher fragte er ziemlich barsch:
„Herr, was gehen Ihnen meine Angelegenheiten an?“
„Sehr viel!“
„Lassen Sie mich ungeschoren!“
„Wenn Sie die betreffende Magda ungeschoren lassen!“
„Ich begreife nicht, von welcher Magda Sie sprechen!“
„Von der, welche Sie als Zimmermädchen in das Haus der berühmten Malerin Melitta bringen wollen!“
„Ich weiß von nichts!“
„Pah! Ich habe in dem hinteren Zimmer gesessen und alles mit angehört.“
„Es war ein Scherz!“
„Unsinn! Aus Spaß gibt man nicht fünf Gulden Draufgeld!“
„Warum nicht? Das Mädchen ist wirklich hübsch.“
Da ließ der Schuster ein heiseres Kichern hören und sagte:
„Ich glaube gar, Sie halten mich für einen Polizisten!“
„Fällt mir gar nicht ein!“
„Warum leugnen Sie da?“
„Läßt man nur Polizisten nicht in seine Angelegenheiten sehen?“
„Sie haben nicht ganz unrecht. Und meine scheinbare Zudringlichkeit muß Ihnen auffällig erscheinen. Aber ich habe wirklich ganz gute Absichten.“
„Die jedoch mir ganz gleichgültig sind.“
„Daran zweifle ich. Ich bin gekommen, Ihnen ein sehr gutes Geschäft vorzuschlagen.“
„Was für eins?“
„Genauso eins, wie Sie soeben abgeschlossen haben.“
„Herr, wie wollen Sie wissen, was für Geschäfte ich mache! Lassen Sie mich in Ruhe.“
„Ihre Geschäfte sind allerdings mit gewissen Gefahren verbunden; darum spricht man nicht gern von ihnen. Aber ich hatte in letzter Zeit einige Male in Rollenburg zu tun und machte mir da das Vergnügen, Fräulein Melitta aufzusuchen –“
„Ah, Sie waren dort?“
„Ja. Warum nicht? Es bedarf da gar keiner Anmeldung oder Einführung. Wer kommt, der ist willkommen.“
„Warum erzählen Sie mir das?“
„Weil Fräulein Melitta Ihren Namen nannte.“
„Was? Sie sprach von mir?“
„Ja, sie sprach von Ihnen, allerdings nicht als von einem Rentier, der von seinen Zinsen lebt, sondern als von ihrem Agenten, dessen Geschmack und Talent sie die allerbesten Akquisitionen zu verdanken hat.“
„Sehr verbunden! Verfängt aber bei mir nicht!“
„Wollen sehen! Heute nun belauschte ich Sie mit der kleinen Magda. Ich hörte Wort für Wort.“
„Hol Sie der Teufel!“
„Er mag noch ein paar Jährchen warten! Ich habe gesehen, daß Sie ein zuverlässiger Geschäftsmann sind, und darüber freue ich mich so sehr, daß ich Ihnen noch einen zweiten Gegenstand zuweisen will.“
„Wer sind Sie?“
„Davon später!“
„Sie wollen sich Geld verdienen?“
„Keinen Kreuzer!“
„Das erregt Mißtrauen!“
„Weil Sie die Verhältnisse nicht kennen.“
„So erklären Sie sich!“
„Hören Sie! Es gab einen Mann, dem eine gewisse Marie Bertram unbequem wurde. Er tat sie zu einer Dame, bei welcher sie die Vorschule der Liebenswürdigkeit absolvieren sollte. Diese Schule fruchtete jedoch nicht viel, denn als diese Marie eine Anstellung in dem eigentlichen Tempel der Liebe erhielt, spielte sie die Vestalin.“
„Wie dumm!“
„Ganz richtig!“
„Ist sie so geblieben?“
„Das läßt sich weder bejahen noch verneinen. Sie wurde oft in Versuchung geführt, konnte aber dabei nicht beobachtet werden. Jetzt ist sie noch unbequemer geworden als vorher. Man will sie los sein.“
„Wie alt ist sie?“
„Achtzehn.“
„Welche Figur?“
„Voll, doch nicht zu sehr. Sie ist die Rose, während Ihre heutige Magda die Knospe ist.“
„Ist sie teuer?“
„Keinen
Weitere Kostenlose Bücher