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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geholfen! Was wird der Bruder sagen! Und wie wird sich der Vater freuen und auch die gute Frau Nachbarin! Sie ist noch bei ihm. Sie wartet noch. Ich bin so lange fortgewesen, viel, viel länger, als ich dachte! Ich muß mich sputen, um endlich nach Hause zu kommen!“ –
    Max Holm, ihr Bruder, war, nachdem er sie in der Wohnung verlassen hatte, in der Stadt herumgestrichen, um, seinem Beruf als Reporter gemäß, zu sehen, ob er nicht irgendein neues Ereignis ausfindig machen könne. Diese seine Bemühung zeigte sich jedoch als vergeblich. Das stimmte ihn trübe, da er ja auf die erbärmliche Einnahme – fünfzig Kreuzer für eine sensationelle Neuigkeit – mit angewiesen war.
    Er begab sich dann nach dem Lokal, in welchem er, sozusagen inkognito, zum Tanz aufspielte, holte seine Geige und stellte sich dann zur angegebenen Zeit bei der Herrschaft ein, die ihn für heute abend engagiert hatte.
    Er sollte mit der Tochter des Hauses einige Trios für Pianoforte mit Violine spielen. Sein Vortrag erregte die Zufriedenheit der Gäste. Besonders fiel es auf, daß er verkehrt spielte, die Geige in der rechten und den Bogen in der linken Hand haltend.
    Als die Gäste zur Tafel gingen, fand er in einem kleinen Nebenkabinett auch für sich serviert. Er aß und trat dann, als er fertig war, an das Fenster und blickte gedankenvoll durch dasselbe hinaus in die beschneite Straße.
    Welch ein mühevolles und doch befriedigungsloses Leben er jetzt führte! Noch volle achtzehn Monate unausgesetzter und anstrengender Übung, ehe er hoffen durfte, soweit zu sein, daß er seine unterbrochene Künstlerlaufbahn wieder aufnehmen könne! Das lag ihm bei der Notlage, in welcher er sich mit den Seinigen befand, schwer, sehr schwer auf dem Herzen.
    In diese unerquicklichen Gedanken versunken, bemerkte er gar nicht, daß ein Herr bei ihm eingetreten war, bis dieser, zu ihm kommend, ihm die Hand auf die Achsel legte.
    „Herr Holm!“
    Der Angeredete fuhr herum. Als er den Herrn erkannte, errötete er, wie es schien, vor Verlegenheit. Doch verbeugte er sich tief.
    „Herr Kommissionsrat!“
    „Habe ich Sie gestört oder gar erschreckt? Das sollte mir leid tun. Man hat drin die Tafel aufgehoben und ich benutze die Gelegenheit, einige Worte mit Ihnen zu sprechen, bevor Sie gezwungen sind, wieder zu Ihrem Instrument zu greifen.“
    „Ich stehe zur Disposition.“
    Der Kommissionsrat leitete die Herausgabe des Regierungsjournals, des bedeutendsten Blattes der Residenz und des ganzen Landes. Er war als eine wissenschaftliche Größe berühmt, und als Beamter und Mensch ungemein geachtet und von seinen Untergebenen geliebt.
    „Setzen wir uns für einige Augenblicke!“ sagte er.
    Er nahm auf einem Stuhl Platz, und Holm tat, seiner Aufforderung gehorchend, desgleichen.
    „Wissen Sie, daß Sie mich heute sehr überrascht haben, Herr Holm?“ begann der Rat.
    „Darf ich fragen, inwiefern?“
    „Ich wußte nicht, daß Sie musikalisch sind.“
    „Ich spiele seit frühester Jugend.“
    „Das hört man. Sie haben Ihr Instrument in seltener Weise in der Gewalt.“
    Holm lächelte trübe und bemerkte:
    „Das ist ein sehr nachsichtiges Urteil, Herr Kommissionsrat. Ich spiele wie ein Stümper.“
    „Nein, o nein!“
    „Gewiß!“
    „Dann stellen Sie aber ja die höchsten Anforderungen an sich?“
    „Das tue ich allerdings.“
    „Sie dürfen jedoch nicht vergessen, daß nicht ein jeder Violinist auch Virtuose werden kann.“
    „Ich aber will es werden.“
    Er sagte nicht, daß er es bereits gewesen sei. Der Kommissionsrat kniff das eine Auge ein wenig zusammen, betrachtete ihn mit halbem, teilnehmend prüfendem Blick und meinte in freundlichem Ton:
    „Fast möchte ich glauben, daß Sie das Zeug dazu haben.“
    „Ich habe es.“
    Das klang einigermaßen selbstbewußt, fast selbstgefällig. Offenbar fühlte der Rat sich nicht angenehm berührt davon, denn er schüttelte leise den Kopf und sagte:
    „Dann setzen Sie ein großes Vertrauen in sich, mein bester Herr. Sie spielen für einen Dilettanten, auch für den ersten Violinisten eines Musikkorps ganz befriedigend, aber hätten Sie wirklich Anlagen zur Virtuosität, so müßten Sie jetzt wohl bereits weiter sein.“
    „Wenn ich nicht weiter bin, so ist diese Hand daran schuld.“
    Er zeigte die Linke hin. Der Rat bemerkte auf der Mitte des Handtellers eine ganz eigentümlich geformte, hochrote Narbe.
    „Was ist das?“ fragte er.
    „Ich verwundete mich vor einiger Zeit.“
    „Ah! Also

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