63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
Und doch ist er der jetzt berühmteste Mann der Residenz!“
„Ich habe ihn noch nie gesehen!“
„Und doch sind Sie Reporter! Das ist kaum glaublich! Der am meisten im Munde der Leute lebende Mann!“
„Dann ist er entweder –“
„Nun?“
„Es gibt zwei, von denen man sagen kann, daß Sie jetzt im Munde aller leben. Erstens der Hauptmann –“
„Der ist es natürlich nicht.“
„Und zweitens der Fürst des Elends.“
„Auch dieser ist eine mystische Persönlichkeit. Es gibt außer den beiden Genannten noch einen Dritten, von welchem sich alle Welt erzählt.“
„Sie meinen den Fürsten von Befour?“
„Ja.“
„Ist er es?“
„Er ist es.“
„Das wundert mich.“
„Warum?“
„Man sagt doch, daß der Fürst keine Gesellschaft besuche.“
„Seit einiger Zeit läßt er sich doch zuweilen sehen.“
„Aber nur in hohen, exquisiten Kreisen.“
„Nun, unser Gastgeber ist ein hoher, königlicher Beamter. Ich habe gehört, daß er im Begriff stehe, ein Rittergut an den Fürsten zu verkaufen. Das mag ihm wohl Gelegenheit und Veranlassung gegeben haben, sich mit einer Einladung an die Durchlaucht zu wagen. Apropos, tragen Sie noch einige Piecen vor?“
„Ja, Herr Kommissionrat.“
„Nun, so nehmen Sie sich zusammen. Der Fürst soll ein Kenner sein, und nicht nur das, sondern auch ein Beschützer bedrängter Künstler, ein – Mäzen.“
Er ging.
Max Holm fühlte sich eigentümlich berührt von dem Inhalt des gehabten Gesprächs. Er nahm keine Notiz von der Gesellschaft, welche sich im Salon bewegte, bis der Wirt erschien und ihn aufforderte, an das Piano zu kommen, an welchem seine Tochter Platz zu nehmen im Begriff stand.
Während des Vortrags bemerkte Holm die Augen des Fürsten auf sich gerichtet. Dem Blick dieser dunklen Augen war ein reges Interesse anzumerken, ja, vielleicht mehr als Interesse. Holm glaubte sogar in den Zügen des Fürsten ein kaum verhehltes Erstaunen zu erkennen.
Und als der Vortrag beendet und mit regem Beifall belohnt worden war, sah der junge Mann, daß der Fürst mit dem Kommissionsrat sprach und dabei den Blick öfters auf ihn gerichtet hielt.
Nach einiger Zeit kam der Wirt zu ihm. Er fragte:
„Herr Holm, können Sie phantasieren?“
„Hm! Wenn ich allein bin, tue ich es zuweilen!“
„Nun, denken Sie nicht, daß Sie es auch hier einmal wagen können?“
„Ein Wagnis ist es jedenfalls.“
„Die Durchlaucht von Befour scheint sich für Sie zu interessieren und hat eine freie Phantasie gewünscht.“
„Dann muß ich gehorchen!“
„Schön! Darf man Ihnen ein Thema geben?“
„Gewiß!“
„Der Fürst bittet, den Yankee-doodle zugrunde zu legen. Wollen Sie?“
Holm errötete. Drüben, jenseits des Ozeans, war der Yankee-doodle sein Lieblingsthema gewesen, mit dem er seine Zuhörer stets in ungeheure Begeisterung versetzt hatte. Wie kam der Fürst gerade auf dieses Lied?
„Gern!“ antwortete der Geiger. „Doch bitte um Nachsicht. Ich bin nicht virtuos.“
Der Gastgeber kündigte mit lauter Stimme den Vortrag an. Holm griff zur Violine, trat an das Klavier, verbeugte sich und begann dann die Phantasie mit dem einfachen Vortrag des amerikanischen Nationalliedes.
Wie weit, wie himmelweit war sein heutiges Stück verschieden von der Virtuosität, mit welcher er früher dieses Thema behandelt hatte, und doch riß er die Zuhörer zur Bewunderung hin. Als er geendet hatte, brach ein allgemeiner Beifallssturm los.
Nur einer sagte kein Wort – der Fürst von Befour. Er hatte sich in eine Fensternische zurückgezogen und von da aus dem Vortrag zugehört. Alle bemerkten, daß er ruhig blieb. Das mußte um so mehr auffallen, als ja er es war, der das Thema gegeben hatte. Bald aber sah man, daß er den jungen Musiker durch einen Wink zu sich beorderte.
Holm gehorchte dieser Aufforderung und schritt zu ihm hin. Sich tief verbeugend, erwartete er die Anrede des Fürsten. Dieser streckte ihm die Hand entgegen und sagte:
„Nachdem Ihnen die anderen Gäste den schuldigen Beifall gezollt haben, fühle ich mich gedrungen, Ihnen auch meinen Dank auszusprechen. Bitte, reichen Sie mir Ihre Hand! So! Sie haben Ihre Sache mehr als brav gemacht!“
„Durchlaucht beschämen mich durch diese Nachsicht.“
„O nein. Das innere Zeug haben Sie, die Fertigkeit wird sich wohl auch noch einstellen.“
„Ich hoffe es.“
„Man sagt mir, Sie heißen Holm?“
„Das ist mein Name.“
„Hm! Befinden Sie sich inkognito hier?“
„Ich wohne für
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