63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
stets hier.“
„Sonderbar! Aber ich glaube nicht, daß ich mich irre. Oder haben Sie vielleicht einen Bruder, einen Verwandten, welcher Ihnen sehr ähnlich und Violinist ist?“
„Nein.“
„Bitte, zeigen Sie mir Ihre linke Hand!“
Er ergriff dieselbe, warf einen Blick darauf und fuhr dann fort:
„Richtig! Sie sind es!“
Holm befand sich in Verlegenheit. Er sagte zögernd:
„Durchlaucht scheinen mich zu verkennen!“
„Wohl schwerlich! Ich habe nämlich ein sehr gutes Gedächtnis für Physiognomien. Ist ihnen vielleicht der Name Holmers bekannt, Max Holmers?“
„Ja“, gestand der Gefragte.
„Ein deutscher Violinvirtuose, welcher sich in den Vereinigten Staaten produzierte?“
„Ja.“
„Nun, ich habe ihn in New Orleans gesehen und gehört. Er war ein Künstler von Gottes Gnaden. Es gab damals zwei Größen, für welche sich das dortige Publikum begeisterte, nämlich diesen Holmers und dann Miß Ellen Starton, die berühmte Tänzerin. Haben Sie vielleicht auch von dieser gehört?“
Diese Frage wurde lächelnd ausgesprochen. Holm nickte nur. Er wußte nicht, was er sagen sollte.
„Der Name Holmers war doch nur eine Amerikanisierung Ihres deutschen Namens Holm?“
„Durchlaucht!“
„Warum wollen Sie nicht aufrichtig sein? Ich meine es gut mit Ihnen. Ich habe mit Vorbedacht dafür gesorgt, daß wir nur unter vier Augen sprechen. Also, bitte, Sie sind jener Virtuose Holmers?“
„Nun, meinetwegen, ja.“
„Ich danke! Warum aber verbergen Sie sich?“
„Weil ich jetzt übe. Ich zähle leider noch zu den Stümpern.“
„Ihrer Hand wegen. Ich habe von dem Duell gehört. War Ihre Hand denn unheilbar verletzt?“
„Ich weiß es nicht. Ich mußte flüchten und hatte keine Zeit, mich einem tüchtigen Chirurgen anzuvertrauen.“
„Ist es Ihnen unmöglich, mit der linken Hand zu greifen?“
„Ja.“
„Haben Sie Schmerzen?“
„Nein. Es fehlt dem Zeige- und dem kleinen Finger die notwendige Beweglichkeit.“
„Vielleicht ist das eine Folge der unrichtigen Behandlung.“
„Möglich, Durchlaucht.“
„Sie haben sich vermutlich hier an einen Arzt gewendet?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Es ist nun doch zu spät, und sodann –“
Er hielt inne, wohl aus Verlegenheit.
„Bitte, sprechen Sie weiter!“
„Nun, ich brauche mich dessen ja nicht zu schämen: Ich bin arm, sehr arm.“
„Wirklich? Ihre Einnahmen waren ja ganz bedeutend!“
„Man hat mich um diese Summe betrogen! Ich war mehr Künstler als Geschäftsmann.“
„O weh!“
„Ich kam als Bettler und Krüppel, das heißt, ohne Subsistenzmittel und mit verletzter Hand, in die Heimat zurück, wo ich sofort für die Meinen zu sorgen hatte.“
„In welcher Weise taten Sie das?“
„Ich bin Reporter.“
„Da gibt es freilich keine Schätze zu sammeln. Doch, sagen Sie, Sie haben doch die Starton gekannt?“
Es spielte während dieser Frage ein feines Lächeln um seine Lippen.
„Ja“, antwortete Holm errötend.
„Wissen Sie, daß Sie hier tanzen wird?“
„Ich habe davon gehört.“
„Es steht zu erwarten, daß sie Begeisterung erntet. Bitte, zeigen Sie mir noch einmal Ihre Hand!“
Holm tat es. Der Fürst betrachtete und befühlte dieselbe sehr genau; dann sagte er:
„Erlauben Sie mir, Ihnen einen Rat zu geben?“
„Durchlaucht sind Chirurg?“ scherzte Holm.
„Nein; aber ich kenne einen jungen, tüchtigen Arzt, welcher zwar vorzugsweise die Krankheiten des Geistes studiert hat, aber doch auch als Chirurg sehr lobenswerte Erfolge gehabt hat. Möchten Sie sich ihm nicht einmal anvertrauen?“
„Wohnt er hier in der Residenz?“
„Nein, sondern in Rollenburg. Doch befindet er sich für kurze Zeit hier auf Besuch.“
„Wenn Durchlaucht den Herrn empfehlen, so werde ich ihn auch aufsuchen.“
„Gut. Wissen Sie, wo ich wohne?“
„Palaststraße, wie ich gehört habe.“
„Ja. Haben Sie morgen vormittag neun Uhr Zeit?“
„Ja.“
„Kommen Sie um diese Zeit zu mir. Der Arzt wird da anwesend sein und mag Ihre Hand einmal genau untersuchen. Kann ich mich Ihnen vielleicht noch anderweit zur Verfügung stellen?“
„Durchlaucht sind zu gnädig! Ich bin höchst glücklich, Ihre Teilnahme errungen zu haben.“
„Die besitzen Sie allerdings. Ich interessierte mich bereits in New Orleans für Sie als Deutschen und als Künstler. Ich hatte den Wunsch, Sie näher kennenzulernen; da aber kam die Katastrophe, infolge deren Sie verschwanden. Ich freue mich, meinen damaligen Wunsch
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