63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
das Mädchen sehen.“
„Natürlich! Wer sie dann als Tau-ma ohne Unterleib erblickte, der ahnt sofort den Schwindel.“
„Da war es vortrefflich, daß der Geschäftsführer das kleine, leere Haus draußen vor der Stadt gemietet hatte. Es wohnt kein Mensch darin. Dahin haben wir sie gebracht. Und dort wird sie versteckt bleiben bis zu ihrem ersten Auftreten. Kein Mensch kennt sie dann.“
„Wieviel Zeit wird bis dahin vergehen?“
„Hm! Eine Woche wenigstens.“
„Warum so lange?“
„Mensch, das mußt du doch einsehen! Sie schämt sich jetzt beinahe, wenn man nur ihre Hände ansieht, bloß weil diese nicht bedeckt sind. Wenn sie auftritt, muß sie aber oben ganz entblößt gehen. Man muß ihr Schamgefühl abstumpfen oder ganz tot machen.“
„Das geht am schnellsten mit der Peitsche.“
„Allerdings. Aber du darfst nicht vergessen, daß ich sie nicht eher produzieren kann, als bis sie es gern tut. Sonst braucht sie ja nur das Publikum um Hilfe anzurufen, und ich kann dann nur gleich zusammenpacken.“
„Ja, eine verdammt kitzlige Sache.“
„Ich hoffe, es fertigzubringen.“
„Wann fangen wir denn an?“
„Habe schon angefangen.“
„Sapperlot! In welcher Weise denn?“
„Gestern abend, gleich nachdem ich sie in das Quartier gebracht hatte. Die anderen, welche auch dort wohnen, waren mit dabei und haben nach Kräften geholfen. Zuerst sagte ich ihr, daß sie sich den Kassiererposten aus dem Sinn schlagen müsse, weil ich schon einen Kassierer habe.“
„Was sagte sie dazu?“
„Sie war ganz starr vor Erstaunen. Dann sagte ich ihr, daß sie meine Tau-ma sein werde. Sie kannte das Wort nicht und fragte nach der Bedeutung desselben. Als ich es ihr erklärte, da ging es los.“
„Was?“
„Zunächst die Vorwürfe; dann das Jammern und Klagen. Sie wollte augenblicklich fort. Ich ließ sie natürlich festhalten. Sie schrie um Hilfe. Da pfiff ich ihr mit der Peitsche so ein paar scharfe Schnelzer über, daß sie vor Schmerz ordentlich in die Luft ging. Von da an weinte sie nur noch leise vor sich hin.“
„Ja, probates Mittel!“
„So eine Person verkennt ihr eigenes Glück. Sie drohte freilich selbst nachher noch mit dem Gesetz und der Polizei; aber ich machte sie auf die Bedeutung ihrer Unterschrift aufmerksam. Ich drohte, ihren Eltern Strumpf und Stiel abzupfenden, wenn sie nicht fügsam sei. Da endlich wurde sie still.“
„Da hat sie schnell Verstand angenommen!“
„Juble nicht zu früh! Ich holte die Tau-ma-Schaukel her und zeigte ihr, wie es gemacht wird. Aber da ging es von neuem los. Sie erklärte, sie werde lieber sterben, als Arme, Hals und Brust nackt sehen zu lassen. Ich mußte sie fesseln lassen.“
„Kann ich sie sehen?“
„Natürlich.“
„Da bin ich neugierig. Trinken wir also aus!“
Der Direktor klingelte, und die Kellnerin erschien. Er bezahlte und wendete sich mit dem Kassierer bereits dem Ausgang zu, als er eine Hand auf seiner Achsel fühlte.
„Bitte, auf ein Wort, meine Herren!“
Beide drehten sich schnell um. Vor ihnen stand Doktor Zander, welcher diese Worte gesagt hatte, und neben ihm der Leutnant von Randau. Sie erschraken außerordentlich, denn nun erkannten sie, daß sie nicht allein gewesen seien, sondern belauscht worden waren.
„Darf ich fragen, wen ich die Ehre habe –?“ meinte der junge Arzt, indem auf seinem Gesicht sich ein höchst unternehmendes Lächeln bemerken ließ.
Der Direktor faßte sich schnell und antwortete:
„Ich bin der Direktor Baumgarten vom Zirkus Real.“
„Und dieser Herr?“
„Mein Kassierer.“
„Danke! Wollen Sie die Freundlichkeit haben, noch einige Augenblicke zu verweilen? Bitte nehmen Sie Platz!“
Er zeigte nach dem Tisch, welcher hinter dem Ofen stand. Unterdessen raunte der Leutnant, von den beiden unbemerkt, der Kellnerin zu:
„Schnell, Polizei holen!“
Im Nu war das Mädchen verschwunden.
„Wir standen im Begriff, aufzubrechen“, warf der Direktor jetzt abwehrend ein.
„Oh, vielleicht haben Sie doch einige Minuten für uns übrig. Ihr interessantes Gespräch –“
„Sie haben es gehört?“ fragte der Direktor schnell.
„Ja. Wir saßen dort am Tisch und wollten Sie nicht stören. Also, Ihr interessantes Gespräch läßt uns annehmen, daß Ihr Zirkus überhaupt viel Interessantes bietet, und da haben wir den Wunsch, uns ein wenig zu orientieren.“
Dem Kassierer merkte man an, daß er noch gern geblieben wäre. Er mochte meinen, einen guten Gratistrunk tun zu können.
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