63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
bester Hand, daß man dies Gesuch gern berücksichtigen und meine Translokation möglichst beschleunigen wird.“
„Gratuliere!“
„Danke!“
„Es gefiel Ihnen natürlich in dieser Provinzialstadt nicht.“
„Hm! Was das betrifft, so ließ es sich ja immerhin hier ziemlich leben; aber seit jener Affäre bei der Melitta, wissen Sie, ist mir Rollenburg verleidet. Ich mußte und muß auch noch als Zeuge dienen, leider gegen Kameraden. Das hat meiner hiesigen Stellung eine einigermaßen schiefe Richtung gegeben. Ich will fort.“
„Bin doch neugierig, welches Resultat die Untersuchung ergeben wird. Man scheint sich Zeit nehmen zu wollen.“
„Sehr leicht erklärlich, da ja Herren des Offizierskorps verwickelt sind. Eine verteufelt fatale Angelegenheit!“
Der Doktor wollte eine Bemerkung machen, hielt dieselbe aber zurück, weil vorn die Tür geöffnet wurde und dabei auch sogleich eine laute Stimme erklang:
„Keine Seele anwesend. Das ist schön! Da können Sie mir die lustige Geschichte erzählen, Herr Direktor.“
Zander glaubte wirklich in diesem Augenblick, daß sein Direktor, Doktor Mars, mit eingetreten sei; er winkte also dem Leutnant Schweigen zu.
„Ja, lustig war's“, antwortete eine zweite Stimme. „So eine richtige Mädchenentführung, zwar nicht mit Gewalt, sondern durch List, aber doch eine Entführung. Jetzt hängt das dumme Ding, das sich gewehrt hat wie ein Teufel, bereits in der Dressur. Ja wirklich, kein Mensch da. Klingle einmal, Dicker!“
Die Glocke erscholl, und die beiden Eingetretenen, welche vorn Platz genommen hatten, ließen sich Wein geben.
Doktor Zander hatte nun zwar an der Stimme gehört, daß es nicht Mars sei, der Direktor genannt worden war. Doch ließen die gehörten Worte so deutlich auf etwas Verdächtiges oder wohl gar Gesetzwidriges schließen, daß die beiden Freunde durch leises Zunicken sich verständigten, ihre Anwesenheit nicht merken zu lassen.
Das Mädchen kam und brachte den Wein. Als sie sich wieder entfernt hatte, sagte die zweite Stimme:
„Hat sie die Tür fest zugemacht, Dicker?“
„Ja, Herr Direktor.“
„Schön. Was ich erzähle, braucht niemand zu hören. Man wäre imstande, mich zur Verantwortung zu ziehen!“
„Also prosit, und dann los! Ich bin neugierig, auf welche Weise Sie zu diesem prachtvollen Mädchen gekommen sind.“
„Hat Sie dir also gefallen?“
„Ausgezeichnet! Verdammt appetitlich! Wäre ich nicht so ein alter Kerl, so müßte dieser Bissen mein werden. Das Wasser ist mir im Mund zusammengelaufen.“
„Ja, das hat noch Kraft und Kern. Das greift sich noch gesund und fest an. So etwas findet man beim Komödiantenvolk nicht.“
„Also aus einer Privatfamilie?“
„Ja, ihr Vater war Theaterdiener in der Residenz.“
„Und sie ist nicht Schauspielerin?“
„Nein.“
„Aber wie haben Sie es angefangen, sie als Tau-ma zu engagieren? Oder hatte sie sofort eingewilligt?“
„Als Tau-ma? Närrischer Kerl! Da wäre ich wohl schlecht angekommen. Als Kassiererin habe ich sie engagiert.“
„Als Kassiererin? Sapperment! Und ich bin Kassierer!“
„Habe keine Sorge! Du bleibst im Amt.“
„Aber was wird sie dazu sagen?“
„Nichts. Es wird eben gar nicht gelitten, daß sie was sagt. Höre, wie ich es angefangen habe!“
Er erzählte von seinem Besuch bei seinem Bruder, von seinem Gang mit diesem in das Theater, von der Weigerung Emilies, sich in Trikots sehen zu lassen, von seiner Unterredung mit ihr und ihrem Vater im Büdchen und von dem endlichen Engagement. Als er erwähnt hatte, daß sich beide, sowohl der Vater wie auch die Tochter, unterschrieben hätten, sagte der Kassierer:
„Ah, da sitzt sie also fest!“
„Ganz und gar. Sie kann nicht wieder fort.“
„Die Quittung gilt ja als Wechsel, weil das Wort Wechsel darin vorkommt. So steht es im Gesetz.“
„Freilich. Fügt sie sich nicht, so ist das eine gute Waffe. Diese Weibsen haben vor dem Wort Wechsel eine heillose Angst, obgleich es gar nicht so gefährlich ist.“
„Wie ging es unterwegs?“
„Sehr gut. Der Himmel hing ihr voller Pauken, Trompeten und Geigen; das war ihr anzusehen. Als wir dann hier ankamen, hatte der Geschäftsführer bereits Logis und Stallungen besorgt und empfing mich am Bahnhof.“
„Er sagte mir, daß er nicht kleine Augen gemacht habe, als er das Mädchen erblickte.“
„Ja, das ist wahr. So eine Akquisition hatte er freilich nicht erwartet. Nun gab es aber ein großes Bedenken. Nämlich es durfte niemand
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