Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
hohes Ansehen genießen. Nein; die beste, fürchterlichste Waffe ist die Lächerlichkeit. Sie siegt über alles, selbst über die Wissenschaft, die Schönheit, den Ruhm. Wer die Liebe eines Weibes gewinnen will, kann alles wagen, alles tun; aber er muß sich sehr hüten, sich lächerlich zu machen. Das Publikum nun ist ein Weib: es kann alles verzeihen und vergessen, nur nicht die Lächerlichkeit. Verstehen Sie mich?“
    „Ich beginne allerdings. Sie zu begreifen.“
    „Ihr Chefredakteur ist ganz meiner Meinung, und er handelt danach. Er hat die Absicht, die Amerikanerin lächerlich zu machen, und diese Absicht wird er erreichen. Sie mag ihre Pas noch so schön tanzen, man wird doch an die Bauernmagd und an das Butterfaß denken, von denen der Artikel erzählt. Der Verfasser ist also einer von denjenigen, welche die Stimme des Publikums fabrizieren. Das sehen Sie doch ein.“
    „Ich muß Ihnen recht geben.“
    „Denken Sie sodann an meinen Herrn, den Intendanten. Die Amerikanerin hat ihn beleidigt, mit Geringschätzung behandelt; Mademoiselle Leda aber ist im höchsten Grad liebenswürdig gegen ihn gewesen. Welche wird er also vorziehen?“
    „Die letztere.“
    „Allerdings. Nun geben Sie vielleicht zu, daß der Intendant den höchsten Einfluß besitzt, nicht nur im Allgemeinen, sondern auch in Beziehung auf jede einzelne Vorstellung. Er vermag es, einem Künstler, einer Künstlerin tausend Hindernisse in den Weg zu legen. Der Herr Intendant ist seiner Sache so sicher, daß er der Leda bereits das Engagement fest zugesagt hat.“
    „Es werden also solche Hindernisse, wie Sie erwähnten, vorhanden sein?“
    „Wollen Sie es ihm verdenken?“
    „Von seinem Standpunkte aus nicht. Strafe muß sein.“
    „Also ist auch der Herr Intendant ein Fabrikant der öffentlichen Meinung. Ferner, denken Sie doch an die Claque. Herr Léon Staudigel, der Chef des bezahlten Beifalls, hat es ganz in der Hand, einen Künstler zu halten oder fallen zu lassen.“
    „Natürlich ist die Leda bei ihm gewesen?“
    „Ja.“
    „Hat sie ihm gefallen?“
    „Außerordentlich.“
    „Hat er das vielleicht Ihnen gesagt?“
    „Nein. Er war vorhin bei meinem Herrn, und ich wurde Zeuge der Unterredung.“
    „Natürlich wieder durch das Schlüsselloch?“
    „Spaßen Sie immerhin! Es ist das eine meiner kleinen Schwächen. Man muß doch wissen, wie man in dem Kreis hält, in welchem man tätig ist.“
    „So scheint die Leda also auch mit Herrn Léon Staudigel liebenswürdig gewesen zu sein?“
    „Natürlich! Der Herr konnte es gar nicht genug beschreiben. Es soll ein wahres Kußfeuerwerk gewesen sein. Und er beschrieb alle Formen und Heimlichkeiten ihres Körpers so genau, daß beide wirklich ganz intim miteinander gewesen sein müssen.“
    „Ich beneide Sie, Monsieur Jean!“
    „Warum?“
    „Es muß ein Hochgenuß sein, zwei so alte Herren über ein so zartes Thema verhandeln zu hören.“
    „Allerdings. Das Ergebnis war natürlich, daß die Leda festgehalten werden soll. Herr Léon Staudigel wollte sich auch zum Direktor, zum Dirigenten und sodann endlich zum Ballettmeister begeben, um sie auch für seine Meinung zu gewinnen. Ich zweifle keinen Augenblick daran, daß es ihm gelingen werde.“
    „Ist denn Miß Starton nicht auch bei ihm gewesen?“
    „Nein, denken Sie sich!“
    „Wie dumm!“
    „Oh, nicht nur dumm ist das. Sie hat sich gegen ihn so hochmütig und geringschätzig benommen, daß die Absicht, seine Feindschaft herauszufordern, gar nicht zu verkennen gewesen ist.“
    „Also in eine gewisse Beziehung ist sie doch zu ihm getreten?“
    „Nicht sie zu ihm, sondern er zu ihr.“
    „Wieso?“
    „Er hat ihr seine Hilfe und Unterstützung brieflich angeboten.“
    „Und sie hat wohl verzichtet?“
    „Ja. Sollte man das für möglich halten?“
    „Allerdings kaum glaublich!“ sagte Holm, indem er sich vom Stuhl erhob und das Geld für den Kaffee auf den Tisch legte. „Ich kann mich über eine solche Dummheit so sehr ärgern, daß ich gar nichts Weiteres hören mag, ich gehe also. Besten Dank für den Wein, Monsieur Jean. Leben Sie wohl, meine Herren!“
    Er ging. Draußen unter der Tür blieb er stehen und holte tief, tief Atem.
    „Pack, Pack und zum dritten Male Pack!“ seufzte er. „Die Luft erscheint einem förmlich von Gemeinheit geschwängert! Ja, so ist sie, diese herrliche Ellen, stolz, keusch, rein und erhaben über alle Niedrigkeit! Also ein förmliches Komplott bildet sich gegen sie! Was tue ich dagegen?

Weitere Kostenlose Bücher