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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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unsereiner sich nicht bieten!“
    „Nun, so sollen Sie es heute haben!“
    Er bestellte das Genannte. Als es serviert wurde, sog der Theaterdiener den Duft des Bratens gierig ein und sagte:
    „Schon der bloße Geruch ist einen Gulden wert. Herr Holm, Sie bauen sich heute nicht nur eine Stufe, sondern eine ganze Treppe zum Himmel empor!“
    „So steigen Sie hinter mir her! Es ist besser, wir kommen miteinander hinauf.“
    „Ja. Und oben will ich es dem Herrgott erzählen, was für ein guter Kerl Sie sind.“
    Er machte sich an den Braten, und bei jedem Bissen, den er in den Mund steckte, sah man es ihm an, welch eine außerordentliche Güte er sich daran tat.
    Auch Holm hatte seit langer Zeit so etwas nicht gegessen. Vier Gulden für ein Mittagsessen, das hatte er sich in letzter Zeit nicht bieten können. Dennoch hatte er auf seinen Gast mehr Acht, als auf den Braten. Er freute sich königlich, dem braven Mann diesen seltenen Genuß bieten zu können. Er störte ihn nicht während des Essens. Dann aber, als der Theaterdiener, nachdem der Rehrücken verschwunden war, sich mit der Serviette den Mund wischte und mit der Zunge schnalzte, fragte er:
    „Habe ich Sie mit meiner Einladung vielleicht in der Ausübung Ihres Berufs gestört?“
    „O nein! Es ist nicht notwendig. Ich sollte nach dem Theaterarchiv, von wegen der ‚Königin der Nacht‘.“
    „Ah, das Ballett, welches gegeben werden soll?“
    „Ja. Ich soll die Partitur holen und dann dem Herrn Kapellmeister hintragen.“
    „Wozu?“
    „Ich glaube, daß er etwas zu ändern hat.“
    „Wer sagte das?“
    „Der Herr Intendant.“
    „Soll denn vor der Aufführung geprobt werden?“
    „Nein. Die Kapelle ist eingeübt, und die beiden Tänzerinnen sind es auch. Wozu also die Probe?“
    „Wozu da aber auch die Veränderung der Musik?“
    „Das weiß ich nicht.“
    „Und ich begreife es nicht. Haben Sie die Tänzerinnen vielleicht schon gesehen?“
    „Nein. Mir kann es sehr gleichgültig sein, welche von den beiden Frauenzimmern engagiert wird. Die Stelle bringt zehntausend Gulden ein, und ich bleibe doch bei meiner armseligen Gage. Mein Gott, wenn man da so in Gedanken einen Vergleich anstellt! So eine einzelne, ledige Person zehntausend Gulden, ohne die Spielgelder und die Summen, welche die Gastreisen ergeben. Und ich mit meiner Familie – da möchte man mit beiden Fäusten dreinschlagen! Sie sind arm, Herr Holm; aber kommen Sie einmal erst zu mir! Es ist ein Elend, wie es kein größeres geben kann! Sie haben keinen Begriff davon! Nicht wahr, Sie sind drei Personen?“
    „Vier, der Vater, die Schwester, ich und ein Bruder, welcher sich auf dem Gymnasium befindet.“
    „Da will allerdings gesorgt und gearbeitet sein! Sagten Sie nicht, daß Ihren Vater der Schlag getroffen habe?“
    „Leider! Er ist gelähmt!“
    „Das ist schlimm, sehr schlimm, aber geht doch noch!“
    „Es geht noch? Wie kommen Sie zu dieser verwunderlichen Rede? Gelähmt sein ist doch ein großes Unglück!“
    „Das wohl; aber es ist doch keine widerwärtige, ekelhafte, sondern eine reine Krankheit. Aber bei mir! Du lieber Heiland! Sie sollten einmal bei mir nur die Stubentüre aufmachen!“
    „Was wäre da?“
    „Sie würden sofort wieder davonlaufen.“
    „Warum?“
    „Habe ich es Ihnen noch nicht gesagt?“
    „Nein.“
    „Ja, von solchen Sachen spricht man nicht. Ich halte es soviel wie möglich geheim; aber zu Ihnen kann ich davon sprechen. Sie werden es nicht ausreden. Wenn der Intendant es erführe, wäre es um uns geschehen. Ich würde sofort meine Stelle verlieren.“
    „Ist es denn etwas so sehr Böses?“
    „Leider ja! Es ist das Böseste, was es gibt. Meine Frau hat den Krebs.“
    „O weh! Wo denn?“
    „Im Gesicht. Er ist unheilbar.“
    „So ist er bereits alt?“
    „Mehrere Jahre. Kein Arzt kann helfen. Das Gesicht ist vollständig zerstört. Wir müssen ihr den Kopf und das Gesicht mit vier, fünf Tüchern umwickeln, und dennoch ist es vor – verzeihen Sie – vor Gestank kaum auszuhalten. Und zwanzig Gulden monatlich! Denken Sie!“
    „Armer, armer Teufel!“
    „Und meinen Vater und meine Mutter dazu, die so alt sind, daß sie keinen Kreuzer verdienen können.“
    „Kann denn nicht eins von Ihren fünf Kindern wenigstens eine Kleinigkeit verdienen? Sie sprachen vorhin von einer Emilie, welche strickt?“
    „Ja. Das ist nämlich so: Ich hatte sechs Kinder. Der Älteste war Steinmetz. Er wurde von einem Sandsteinblock erschlagen. Er war

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