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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Soll ich sie warnen, oder soll ich heimlich über sie wachen und im stillen gegen diese Herren zu Felde ziehen? Ich werde es mir überlegen!“
    Er schritt gedankenvoll dem Altmarkt zu, in dessen Hinterhäusern ja seine Wohnung lag. Er mußte dabei am Hotel ‚Zum Kronprinz‘ vorüber. Er hatte dasselbe noch nicht ganz erreicht, so kam ihm ein Mann entgegen, welcher eine Art von Livree trug, alt und abgetragen zwar, aber dennoch sehr reinlich gehalten. Seine Züge waren gedrückt und wehmütig, sein glatt rasiertes Gesicht hager und bleich. Man sah es ihm an, daß er mit der Not und den Sorgen des Lebens auf einem vertrauteren Fuß stand, als es ihm eigentlich lieb sein konnte.
    Max Holm blieb, als er diesen Mann erblickte, stehen.
    „Guten Tag, Papa Werner!“ sagte er in freundlichem Tone. „Wie geht es?“
    „Danke!“ antwortete der Gefragte. „Gut leider nicht!“
    „O weh! Immer noch das alte Lied?“
    „Ja, immer noch! Es wird wohl auch nicht anders werden, mein lieber Herr Holm!“
    Dabei schüttelte er sich und blies sich in die Hände, indem er hinzufügte:
    „Heute ist's wieder kalt, bitter kalt!“
    „Einfeuern, einfeuern! Innerlich und äußerlich!“ meinte Max in aufmunternder Weise.
    „Womit denn?“
    „Äußerlich mit Kohlen und Holz, innerlich aber mit Kaffee, Tee oder Grog, was gerade zur Hand ist!“
    „Potztausend, sprechen Sie aus einem vollen Geldbeutel!“
    „Oh, ich bin reich“, lachte der Violinist. „Sie nicht?“
    „Ich?“ fragte der andere wehmütig. „Bei einem Theatergehalt von zwanzig Gulden monatlich. Vater, Mutter, Frau und fünf Kindern?“
    „Da ist zwanzig zu wenig. Sind Sie denn nicht wieder einmal um Zulage eingekommen?“
    „Ja, aber umsonst. Der Intendant will mir nicht wohl, weil der Direktor mir freundlich gesinnt ist. Dieser letztere befürwortet mein Gesuch, und darum wird dasselbe von dem ersteren stets abgeschlagen.“
    „Das ist freilich höchst bedauerlich, mein lieber Papa Werner!“
    „Bedauerlich bloß? Oh, es ist sogar schlimm, sehr schlimm! Ich sage Ihnen, daß meine Kinder Hunger haben. Hunger, o Gott! Emilie hat bis übermorgen zu stricken; da lösen wir erst Geld, aber auch wenig genug.“
    „Was? Ihre Kinder haben Hunger? Da läßt sich denken, daß Sie als Vater noch länger gehungert haben als sie?“
    „Da haben Sie freilich nicht unrecht, Herr Holm. Wenn man nur ein paar Kohlen hätte, um feuern zu können.“
    „Kohlen sollen sie haben; ich denke, daß –“
    „Kohlen? Von wem denn?“
    „Von mir.“
    „Von Ihnen? Ich weiß, daß Sie gut sind, aber Sie machen doch nur Spaß. Sie sind ja geradeso arm wie ich.“
    „Aber einige Kreuzer für Kohlen habe ich für Sie.“
    „Nein, nein! Das könnte ich von einem jeden annehmen, nur von Ihnen nicht. Sie haben es wohl vergessen, daß ich Ihnen noch Geld schuldig bin?“
    „Schuldig? Mir?“ fragte Max, scheinbar erstaunt. Er wußte aber gar wohl, daß Werner recht hatte.
    „Ja. Wissen Sie, damals, als ich kein Geld zur städtischen Steuer hatte! Ich traf Sie auf der Straße und klagte Ihnen meine Not. Sie nahmen mich mit ins Kaffeehaus, ließen mir warmen Kaffee und Buttersemmeln geben und borgten mir vier Gulden, obgleich Sie nur sechs hatten. Den Kaffee habe ich getrunken, die Semmeln aber mit nach Hause genommen. Und die vier Gulden? Tausendmal habe ich an Sie gedacht, aber bezahlt sind sie leider noch nicht. Sie werden sehr böse sein, aber ich gebe Ihnen die heilige Versicherung, daß es mir bis jetzt ganz unmöglich gewesen ist, sie zu erübrigen!“
    „Machen Sie sich keine Sorge! Ich brauche sie jetzt nicht.“
    „Das sagen Sie auch nur, um mich zu beruhigen. Ich weiß ja, daß Sie zu kämpfen haben.“
    „Das ist wahr. Aber der liebe Gott hilft doch immer wieder. Wollen Sie ein Gläschen Grog mittrinken?“
    Das matte Auge des Mannes belebte sich.
    „Grog?“ sagte er. „Sie scherzen!“
    „Nein. Es ist mein Ernst!“
    „Grog habe ich seit Jahren nicht gerochen, viel weniger getrunken!“
    „Nun, so kommen Sie! Wir gehen auf einige Minuten hinein in den Kronprinzen.“
    „Wirklich? Ist's Ihr Ernst?“
    „Natürlich!“
    „Gerade wie damals, als Sie mir Kaffee und Semmeln geben ließen, Herr Holm, Sie haben ein gutes Herz!“
    „Und Sie sind ein braver Mann, dem man schon eine kleine Erquickung gönnen kann. Kommen Sie!“
    Sie gingen in das Restaurationszimmer des Hotels, und Holm bestellte zwei Glas Grog. Dann nahm er die Speisenkarte, schlug sie auf, legte

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