63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
kenne?“
„Sie hat es nicht leugnen können und auch gar nicht leugnen wollen. Das aber hat ihr den Hals gebrochen.“
„Man muß aber doch ihren Knaben gefunden haben?“
„Nein. Man hat vergeblich gesucht und infolgedessen ihre Angaben für erfunden halten müssen.“
„Aber das Zeugnis Ihrer Schwester?“
„Pah! Das hat gar nichts gegolten. Laura ist zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Dabei hat man ihr noch mildernde Umstände zuerkannt, sonst wäre die Strafe eine weit härtere geworden.“
„Und Emilie?“
„Die hat man entlassen, weil man nicht vermocht hat, ihr eine Mitschuld nachzuweisen.“
„Wann ist das gewesen?“
„Vor vier Jahren.“
„So ist also die Hälfte der Strafzeit vorüber. Wollen Sie nicht ein Gnadengesuch anfertigen lassen?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Ich bin da ganz der Ansicht meiner Tochter. Der Direktor des Zuchthauses hat ihr denselben Rat gegeben; sie aber mag von einem Gesuch nichts wissen.“
„Das ist ebenso bedauerlich wie unbegreiflich. Wenn der Direktor selbst ihr diesen Rat erteilt, so läßt sich mit Sicherheit annehmen, daß dieses Gesuch Erfolg haben werde. Er würde es befürworten.“
„Aber Laura würde damit ihre Schuld eingestehen.“
„Doch nicht.“
„O gewiß! Wer um Gnade fleht, der ist schuldig. Der Unschuldige braucht Gerechtigkeit, aber keine Gnade.“
„Ist denn nicht nach jenem Frauenzimmer geforscht worden, welches so gespensterähnlich auf dem Kirchhof erschienen ist?“
„Man muß es wohl getan haben, aber lässig genug, da man das, was Laura erzählte, für eine Fabel gehalten hat. Das war eine traurige, traurige Zeit! Der liebe Herrgott behüte jeden vor solchen Erfahrungen! Ich gönne selbst meinem ärgsten Feind diese – ah, aber doch, einen gibt es, dem ich das und noch viel, viel Schlimmeres gönne!“
„Wem?“
„Dem Baron von Helfenstein. Ich erfuhr, wie ich bereits erzählte, erst später, daß er der Vater sei, und so ging ich zu ihm, um mit ihm darüber zu verhandeln.“
„Ich habe von diesem Mann gehört. Was sagte er?“
„Nichts, gar nichts.“
„Aber er muß doch einen Ausspruch getan haben?“
„Ja, einen Ausspruch tat er freilich!“
„Welchen?“
„Er gab den Befehl, mich hinauszuwerfen.“
„Doch wohl nicht?“
„Ja freilich!“
„Tat man es denn?“
„Ja. Er ging zu der einen Tür hinaus, und ich wurde durch die andere mit Glanz und Ruhm abgeführt.“
„Schändlich! Hatte er sich denn vorher um Ihre Tochter bekümmert?“
„Er ist während meiner Abwesenheit einige Male heimlich bei Laura gewesen, um sie zur Verschwiegenheit zu bereden. Sogar gerade als das Kind eben gestorben war, ist er gekommen.“
„Hat er das Kind gesehen?“
„Ja.“
„So muß er doch wissen, daß es ein Knabe war!“
„Natürlich.“
„Warum hat Ihre Tochter ihn nicht als Entlastungszeugen angegeben?“
„Weil sie ihm ihr Wort halten wollte.“
„Diese Gewissenhaftigkeit ist aber doch mehr als Unsinn gewesen. Sie hätte freigesprochen werden müssen.“
„Meinen Sie? Ich denke, Sie irren sich.“
„Er hätte ja beeiden müssen, daß das Kind ein Knabe war!“
„Nein; er hätte Laura ausgelacht.“
„Unmöglich!“
„O doch! Das hat er übrigens bewiesen. Laura hat nämlich gedacht, daß er sich unserer annehmen werde. Sie erkundigte sich bei mir, als ich sie in der Strafanstalt besuchte. Und erst, als sie erfuhr, wie es stand, sagte sie mir, daß er der Vater sei. Sie erzählte mir alles, und ich ging zum Direktor des Zuchthauses, um ihn um einen guten Rat zu bitten. Er erklärte die Sache zwar nicht geradezu für einen Schwindel, aber er ließ merken, daß er Zweifel hege. Doch versprach er mir, sich zu überlegen, was in der Sache zu tun sei.“
„Und was war der Erfolg?“
„Einige Zeit später wurde ich hier in das Gerichtsamt bestellt. Ich freute mich, denn ich war überzeugt, etwas Hoffnungserweckendes zu hören – aber prosit die Mahlzeit!“
„Wohl das gerade Gegenteil?“
„Ja. Es wurde mir bedeutet, nie wieder eine solche wahnsinnige Anschuldigung zu wagen, widrigenfalls man nicht bloß mich gefänglich einziehen, sondern auch meine Tochter exemplarisch bestrafen werde.“
„Und so haben Sie geschwiegen?“
„Natürlich! Was kann ich sonst tun?“
„Leider nichts, gar nichts! Ich möchte behaupten, daß Laura – ah, wer ist denn das?“
Es war ein Kellner eingetreten, nicht derjenige, welcher sie bedient hatte, und als er Max Holm
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