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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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darauf. Sie können sie dann leicht erstehen.“
    „Muß es denn sein?“
    „Wollen Sie ins Armenhaus?“
    „Gut, nehmen Sie die Uhr! Ich trenne mich schwer von ihr, aber es muß ja sein.“
    „Ich verspreche Ihnen, Sie zu benachrichtigen, wenn die Auktion stattfinden wird.“
    Er nahm die Uhr von der Wand und entfernte sich dann mit seinem Kollegen. „Wir erstehen sie wieder“, tröstete Werner seine Kinder, denen die Anwesenheit der Uniformen Angst gemacht hatte.
    „Es ist gut abgelaufen“, sagte das vorhin beschriebene Mädchen. „Das waren zwei brave Menschen. Ich dachte, sie würden alles, alles nehmen!“
    „Das geht nicht, liebe Emilie. Es gibt auch zum Schutz der Armut Gesetze. Nicht alles darf gepfändet werden.“
    „Sie fragten nach Geld. Wie gut, daß wir keins haben.“
    „Du lächelst dabei so trübe. Emilie, wir haben Geld.“
    „Geld? Wo denn?“
    „Hier.“
    Er griff in die Tasche und leerte seinen Beutel. Sämtliche Glieder der Familie kamen herbei, um sich an diesem Anblick zu weiden.
    „Und hier habt ihr zu essen.“
    Er hatte das Päckchen, welches die Eßwaren enthielt, bei seinem Eintritte auf einen neben der Tür stehenden Stuhl gelegt. Jetzt holte er es herbei. Beim Anblick des Brots jubelten die Kleinen laut auf. Er nahm das Messer und begann, auszuteilen.
    Alle aßen, nur Emilie nicht. Sie hatte sich wieder an ihre Arbeit gesetzt.
    „Hast du keinen Hunger?“ fragte er.
    „Nein“, antwortete sie.
    Er wußte, seit wann sie nichts gegessen hatte; er war überzeugt, daß sie hungere.
    „Emilie!“ bat er.
    Sie hob den feuchten Blick zu ihm auf und sagte halblaut:
    „Vater, woher nehmen wir zweiunddreißig Gulden?“
    „Denke jetzt nicht daran. Iß lieber!“
    „Ich kann nicht, von wem hast du das Geld?“
    „Von Herrn Holm.“
    „Er hat es dir geborgt?“
    „Ja.“
    „Der Gute! Du warst ihm doch noch schuldig!“
    „Er bot mir dennoch das Geld an, anstatt mich zu mahnen.“
    „Wie lange wird es reichen! Und dann –!“
    Sie wendete sich ab, um zu verbergen, daß einige Tropfen aus ihren Augen niederfielen.
    „Gott wird helfen!“
    „Meinst du, daß Gulden vom Himmel fallen? Gott, wenn nur meine Arbeit besser lohnte! Das Armenhaus!“
    Sie schüttelte sich.
    Da klopfte es an die Tür, und ohne abzuwarten, bis er dazu aufgefordert werde, trat ein langer, hagerer Mann herein. Sein Gesicht war voller Falten, und sein Blick war scharf, spitz und unstet wie derjenige eines Raubvogels.
    „Guten Tag!“ grüßte er.
    „Guten Tag!“ antwortete Werner, während Emilie sich abwendete, ohne zu danken.
    „Wie geht's? Wie steht's“, fragte der Mann. „Puh, welch ein Geruch! Mach doch noch ein Fenster auf!“
    „Es ist zu kalt, Herr Solbrig.“
    „Aber der Geruch infiziert mir die ganze Wohnung!“
    „Wir werden räuchern!“
    „Wohl mit Weihrauch und Myrrhen?“ fragte Solbrig mit schlecht verhehlter Ironie.
    „Nein, sondern mit Wacholderbeeren. Zu Weihrauch und Myrrhen haben wir kein Geld.“
    „Nicht? Das bringt mich auf die Ursache, welche mich zu Ihnen führt. Ich stand vorhin oben am Fenster und sah jemand über den Hof gehen. Es waren zwei Männer. Sie hatten Besuch, Herr Werner?“
    „Ja. Die beiden Steueramtsdiener.“
    „Was wollten sie?“
    „Ich hatte einige Abgaben zu bezahlen.“
    „Haben Sie bezahlt?“
    Werner hustete verlegen vor sich hin.
    „Nicht?“ fuhr Solbrig fort. „Ich dachte es, weil sie Ihnen die Uhr genommen haben.“
    „Ich löse sie wieder ein.“
    „Schön! Ein solch altes Erbstück läßt man nicht gern fahren. Aber, bester Herr Werner, gestern schrieb mir der Herr Rat. Er fragte mich, ob ich mich denn gar nicht auf meine Pflicht besinne.“
    Er hielt inne und blickte Werner lauernd an. Als dieser nichts erwiderte, fuhr er fort:
    „Wissen Sie, was er meinte?“
    „Nein.“
    „Das wundert mich. Sie sollten es doch am allerbesten wissen!“
    „Sie meinen die rückständige Miete?“
    „Ja. Der Herr Rat ist Besitzer des Hauses. Ich bin sein Administrator. Ich habe den Hauszins zu kassieren und einzusenden. Von Ihnen erhielt ich seit zwei Vierteljahren nichts. Wissen Sie, was der Herr Rat weiter schreibt?“
    „Nein.“
    „Er sagt, daß er mir die Administration entziehen werde, wenn ich nicht binnen drei Tagen diese rückständige Miete einsende.“
    „Er wird gescherzt haben!“
    „Gescherzt? Wo denken Sie hin! Es ist sein Ernst. Nun sah ich, daß Sie ausgepfändet worden sind. Natürlich muß ich sogleich zu Ihnen

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