63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
alles.“
„Und dennoch möchte ich ganz ergebenst ersuchen, dies von meinem Kind nicht zu verlangen!“
Da zog der Intendant die Stirn in Falten und sagte:
„Aus welchem Grund?“
„Ich kenne dieses Stück. Die Lieblingssultanin erscheint in einer Weise, welche –“
Er stockte.
„Nun, welche –“
„Welche für Emilie unmöglich sein würde.“
„Ach was gar! Was die Bellmann kann, das kann deine Tochter auch. Sie ist doch keine Gräfin!“
„Herr Intendant, bitte, haben Sie Mitleid mit ihr und mit mir!“
„Mitleid wäre hier sehr am unrechten Ort. Du willst Zulage haben und weigerst dich, mich aus einer solchen Verlegenheit zu reißen, obgleich es dir so außerordentlich leicht wäre. Einen solchen Theaterdiener kann ich nicht gebrauchen. Jeder andere würde es für eine Ehre halten, seinem obersten Vorgesetzten behilflich sein und nebenbei seine Tochter bewundert sehen zu können.“
„Es hat nicht jeder dieselben Ansichten über diese Bewunderung, Herr Intendant.“
„So mache ich dich auf deinen Kontrakt aufmerksam!“
„Ich habe in demselben nicht gefunden, daß ich meine Kinder zur Verfügung zu stellen habe.“
„Wörtlich allerdings nicht; aber ein Paragraph verlangt, daß du in jeder Beziehung die Bemühungen deiner Vorgesetzten zu unterstützen hast. Nun, dies ist heute der Fall, und dies wird heute von dir verlangt.“
Werner blickte verlegen vor sich nieder. Er wußte nicht, was er sagen sollte.
„Ferner“, fuhr der Intendant fort, „steht in dem Kontrakt, daß ich bei offenbarer Gehorsamsverweigerung das Recht habe, dich augenblicklich zu entlassen.“
„Gnädigster Herr, das werden Sie nicht tun!“ rief der Ärmste voller Angst.
„Oh, gerade das werde ich tun; verlaß dich darauf! Ich habe dafür zu sorgen, daß das Stück in würdiger Weise über die Bretter geht. Eine andere Rücksicht darf ich nicht walten lassen. Nun also, ja oder nein!“
Die Lippen Werners bebten. Er mußte sich die größte Mühe geben, seine Tränen zurückzuhalten.
„Werden Sie mich wirklich entlassen, wenn Emilie Ihrer Forderung nicht entspricht?“ fragte er.
„Unweigerlich und auf der Stelle! Ich gebe dir hiermit mein Ehrenwort darauf!“
„Mein Gott! Wie soll ich sie dazu bringen!“
„Du bist der Vater; du hast zu befehlen; mache von diesem Recht Gebrauch!“
„Es ist so hart und schwer!“
„Larifari! Übrigens sollst du dafür eine Gratifikation erhalten!“
Da trat Werner einen Schritt näher, faltete die Hände und fragte unter zurückgehaltenem Schluchzen:
„Gnädigster Herr, ist es gar nicht möglich, daß uns dies erlassen werde?“
„Nein. Lassen wir alle Weiterungen! Willst du, oder willst du nicht.“
„Ich – muß!“ stieß Werner hervor.
„So eile nach Hause und schicke das Mädchen zum Regisseur. Er befindet sich auf der Bühne und wird ihr die erforderliche Anleitung geben.“
Werner wankte hinaus. Es war ihm, als sei er einer Abteilung der Folterkammer entstiegen, um in eine andere geschleppt zu werden. Seine Beine wankten, seine Knie zitterten. Er lehnte sich unten im Flur an die Wand und schluchzte:
„Mein Kind, mein liebes, gutes, reines Kind! Wie soll ich, dein Vater, dir sagen, was von dir verlangt wird. Und doch wirst du es tun, um uns vom Verhungern zu erretten. O Gott, o Gott, ich möchte sterben, wenn ich nicht gezwungen wäre, für die Meinen zu leben!“
Und oben trat der Kunstreiter lachend aus dem Nebenzimmer und sagte:
„Mensch, weißt du, was du bist?“
„Nun, was denn?“
„Ein Teufel, ein Satan, ein Belial!“
„Hast du alles gehört?“
„Jedes Wort.“
„Und du tadelst mich?“
„Fällt mir gar nicht ein. Ich tadle dich nur in dem Fall, wenn das Mädchen nicht so schön ist, wie du gesagt hast. Paßt sie mir aber, so hast du an dem Alten dein Meisterstück gemacht, wie ich es an seiner Tochter machen werde.“
„Du glaubst, sie herumkriegen zu können?“
„Gewiß!“
„Aber du hast gehört, wie sich der Vater sträubt, sie auf die Bühne zu lassen? Was würde er sagen, wenn du ihm mitteilst, daß sie die Tau-ma machen soll!“
„O du riesengroßer Dummhut du! Meinst du wirklich, daß ich ihm das sagen werde?“
„Nicht?“
„Fällt mir gar nicht ein! Habe ich sie aber erst einmal fest, so heißt es einfach: sie muß.“
„Wie aber willst du sie bekommen?“
„Mit Hilfe der Herrin, von welcher ich vorhin sprach, der Not. Dein Untergebener befindet sich in verteufelt mißlichen
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