63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
Verhältnissen. Wenn ich den Retter spiele, fällt mir sein Vertrauen zu.“
„Dann darf er aber keinesfalls erfahren, daß wir uns kennen oder gar, daß du mein Bruder bist.“
„Bitte, bitte, belehre nur mich nicht! Ich weiß ganz genau, wie ich solche Leute zu nehmen habe. Hauptsache ist natürlich, zu sehen, ob sie wirklich wert ist, daß man sich Mühe gibt.“
„Du wirst in hohem Grad befriedigt sein. Wir wollen aufbrechen, weil es notwendig ist, den Regisseur zu unterrichten, bevor das Mädchen kommt.“
Einige Minuten später schritten sie dem Theater zu. Im Inneren desselben befanden sich nur zwei Menschen, der Regisseur und seine Frau, welche auch Schauspielerin war. Er trat dem Intendanten neugierig entgegen.
„Hat es Kampf gekostet, gnädiger Herr?“ fragte er.
„Ja, aber ich habe Gehorsam gefunden. Das Mädchen wird kommen. Aber – hm! – ich und dieser Herr hier möchten ungesehen beobachten, wie sie ihre Rolle auffaßt. Wir werden hinter die Prospektgardine treten. Natürlich wird sie sich sträuben, so dekolletiert, wie es verlangt wird, die Probe zu machen. Ich aber muß darauf bestehen.“
„Wollen wir es ihr nicht für jetzt erlassen?“
„Nein. Muß sie jetzt, so fällt es ihr heute abend leichter. Ihre Frau mag sie entkleiden, und Sie können ja mit Ihren Augen so schonend wie möglich sein. Schaffen Sie also den Diwan herein. Ich verlange, daß sie, nur an den Hüften vom Schleier bedeckt, volle zehn Minuten auf dem Diwan liegen bleibt. Das ist das beste Mittel, dieses dumme Schamgefühl zu töten. Wir ziehen uns jetzt hinter die Prospektgardine zurück. Lassen Sie nicht ahnen, daß Lauscher da sind!“
Er nahm seinen Bruder bei der Hand und führte ihn nach dem hinteren Teil der Bühne, welche jetzt den inneren Teil eines mohammedanischen Hauses vorstellte. Dort befand sich in der Gardine eine fingierte Türöffnung, hinter welcher die beiden, nachdem sie sich zwei Stühle besorgt hatten, Posto faßten.
Sie hatten nicht sehr lange zu warten, so stellte die Tochter des Theaterdieners sich ein. Sie war durch den nur für die Bühnenmitglieder reservierten und für diese stets offenen Eingang gekommen. Der Regisseur empfing sie mit freundlichem Gruß.
„Sie wissen, um was es sich handelt, Fräulein Werner?“ fragte er.
Sie war blaß. Man sah es ihr an, daß sie geweint habe.
„Ja“, antwortete sie. „Vater hat es gesagt.“
„Sie sollen die Partie der Lieblingsfrau des Sultans übernehmen.“
„Ist sie schwer?“
„Nein, gar nicht.“
„Habe ich zu sprechen?“
„Kein Wort. Wäre dies der Fall, so dürfte ich es wohl nicht wagen, Ihnen diese Rolle anzuvertrauen. Das Lampenfieber würde Ihnen und somit auch uns und der ganzen Vorstellung gefährlich werden. Aber zu einer kleinen Probe werden Sie sich dennoch verstehen müssen.“
„Was habe ich zu tun?“
„Sie haben hier auf diesem Diwan Platz zu nehmen, möglichst in schöner, ansprechender Haltung, und dabei so zu tun, als ob Sie Ihr Nargileh rauchten.“
„Was ist das?“
„Nargileh heißt Wasserpfeife. Es wird nämlich auch in den Harems, also von Frauen, geraucht.“
„Wenn ich weiter nichts zu tun habe, so ist eine Probe doch wohl nicht nötig, Herr Regisseur.“
„O dennoch. Wir müssen die erforderliche Körperlage suchen und einüben und auch sehen, wie der Schleier um Ihre Hüften zu drapieren ist.“
„Um die Hüften?“ fragte sie erstaunt.
„Ja, gewiß.“
„Einen Schleier trägt man doch nur im Gesicht!“
„Für gewöhnlich. Im Harem aber ist es anders. Die mohammedanischen Frauen haben nämlich fast weiter nichts zu tun, als sich alle mögliche Mühe zu geben, ihren Männern zu gefallen. Sie müssen zeigen, daß sie schön sind, und das können sie am besten, wenn sie im Harem möglichst alle überflüssigen Kleider entfernen: Sie zeigen sich als lebende, reizende Statuen der Göttin der Liebe, nur in einen durchscheinenden Schleier gehüllt.“
„Ohne Kleider?“ fragte sie voller Angst.
„Ja.“
„Auch ich soll unbekleidet sein?“
„Gewiß.“
„Das kann ich nicht! Das ist mir unmöglich! Das bringe ich nicht fertig.“
„Warum nicht? Es ist ja so leicht!“
„Ich – ich – ich schäme mich zu Tode!“
„Das denken Sie nur! Übrigens meine ich ja nicht, daß Sie nackt sein werden. In gewissem Sinne werden sie bekleidet sein, sogar am ganzen Körper. Sie werden natürlich Trikots anlegen.“
„Und wie lange soll ich hier auf dem Diwan
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