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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vermuten, daß der Fürst nach ganz genauen Informationen handelte.
    Die angedeutete Wohnung bestand aus einem zweifenstrigen Wohn- und einem einfenstrigen Schlafzimmer. Gleich direkt beim Eintritt eilte der Fürst nach den beiden Fenstern, um die Rouleauschnüre in Augenschein zu nehmen.
    „Hier ist es nicht“, sagte er. „Öffnen Sie die Schlafstube!“
    Als dies geschehen war, trat er zum Fenster.
    „Ah! Hier, Herr Gerichtsrat! Sehen Sie!“
    Er zeigte auf die rote, posamentierte Schnur, von welcher ein Stück fehlte, welches augenscheinlich abgerissen worden war.
    „Durchlaucht“, meinte der Beamte ganz betreten. „Wie haben Sie hiervon wissen können?“
    „Davon später. Bitte um das fragliche Schnurende. Es muß ganz augenscheinlich sein, daß es von hier abgerissen worden ist.“
    „Hier. Vergleichen wir. Bei Gott, es stimmt! Sogar die Fasern passen zusammen und greifen ineinander.“
    „Das war es, wovon ich mich überzeugen wollte. Es genügt für jetzt.“
    Und sich an den Hausmann wendend, fuhr er fort:
    „Der Herr Gerichtsrat wird die Schlüssel dieser beiden Zimmer an sich nehmen. Sie haben keinen Menschen, selbst Ihrem Herrn nicht, zu sagen, daß wir hier gewesen sind. Eine Übertretung dieses Gebotes würde von sehr ernsten Folgen für Sie sein. Verstanden?“
    „Ich werde gehorchen, Durchlaucht. Aber meine Frau –“
    „Ich habe sie nicht gesehen.“
    „Sie ist ausgegangen.“
    „So braucht auch sie nichts zu wissen. Haben Sie dieses Fräulein von Wartensleben vielleicht seit jener Zeit einmal wiedergesehen?“
    „Nein.“
    „Würden Sie diese Dame wieder erkennen?“
    „Sofort! Ganz gewiß!“
    „Gut! Also schweigen Sie! Wir gehen! Adieu!“
    Der Gerichtsrat verschloß die Türen und steckte die Schlüssel ein. Als sie wieder in der Droschke saßen, nannte der Fürst eine nahe am Petrikirchhof gelegene Straße, in welcher sie ausstiegen, um dem Kutscher nicht merken zu lassen, welches ihr Ziel sei. Dann begaben sie sich zu Fuß nach dem Kirchhof. Der Gerichtsrat war unterwegs schweigsam gewesen. Jetzt sagte er:
    „Durchlaucht, halten Sie diese Wartensleben für die Mutter jenes Kindes, welches uns als dasjenige der Emilie Werner vorlag?“
    „Ja. Die abgerissene Rouleauschnur ist das erste Glied in dem Beweis, welchen ich erbringen werde. Da steht ein Herr, und dort auch einer.“
    Sie waren in den Kirchhof getreten. In einer Ecke desselben stand ein Mann, am entgegengesetzten Ende ein zweiter, und ein dritter kam soeben aus der Totenhalle hervor.
    „Der Staatsanwalt, der Obergendarm und der Gerichtsarzt“, sagte der Gerichtsdirektor.
    „Schön! Die Herren tun, als ob sie nicht zueinander gehörten. Das ist mir lieb. Bitte, unterrichten Sie sie unauffällig, nach und nach und möglichst heimlich, sich zu den Scheunen zu begeben, welche hinter dem Kirchhof liegen. Ich werde Sie mit Herrn Doktor Holm dort erwarten.“
    Er begab sich mit Holm nach dem angegebenen Ort. Die anderen kamen auf verschiedenen Umwegen, welche sie gemacht hatten, nach, und alle waren überzeugt, von niemand bemerkt worden zu sein.
    „Meine Herren“, sagte der Fürst. „Es gilt, die Unschuld eines Mädchens nachzuweisen, welches als Kindesmörderin verurteilt worden ist. Herr Gerichtsarzt, ist es möglich, nach vier Jahren an einer Kindesleiche nachzuweisen, daß sie einen natürlichen Tod erlitten hat?“
    „Nein. Sie wird verwest sein.“
    „Und in dem Fall, daß sie versteinert, verkalkt wäre?“
    „Das ist ein außerordentlich seltener Fall. Es läßt sich da nicht eher etwas sagen, als bis man die Leiche untersucht hat.“
    „Nun, wollen sehen. Bitte, Herr Doktor, öffnen Sie!“
    Diese Worte galten Holm. Sie befanden sich gerade an der Stelle, wo das Kind versteckt war. Holm kniete nieder, entfernte den Schutt und zog dann die Leiche hervor.
    Die Herren waren, besonders der Gerichtsrat, äußerst bestürzt. Der Gerichtsarzt warf einen Blick auf die Leiche, befühlte sie mit der Hand und fragte dann:
    „Durchlaucht, da fällt mir ein – ist das vielleicht das Kind der Werner, welches wir damals suchten?“
    „Ja.“
    „Ich besinne mich jenes Falls ganz genau. Ich hatte die Leiche zu untersuchen. Ein interessanter, hochinteressanter Fund, sowohl für den Arzt, als auch für den Richter. Wer aber hat dieses Kind hier versteckt?“
    „Die Mutter des anderen Kindes, die eigentliche Mörderin, Herr Doktor.“
    „So hätte die Werner also damals doch nicht gelogen?“
    „Sie hat die

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