63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
vielleicht schon einmal als Mädchen verkleidet haben?“
„Oh, öfters schon! Zur Fastnacht! Man hat mich ja allgemein für ein Mädchen gehalten. Ich bin so gebaut, daß ich beinahe ausgeschnitten gehen könnte. Ich hätte die erforderliche Gestalt zu einem Damenkomiker.“
„Schön! Wie sind Ihre Arme?“
„Voll und rund wie bei der Melusine.“
„Aber die Stimme.“
„Habe keine Sorge! Ich habe eine famose Fistelstimme, welche gerade wie die natürliche klingt. Überdies braucht man sich nur aufs Flüstern zu verlegen. Aber, sagen Sie, das klingt ja gerade, als ob ich mich bei diesen famosen Souper als Dame verkleiden solle?“
„So ist es auch.“
„Famos, famos! Ich beginne zu ahnen! Es ist ein fader, alter Geck im Spiel.“
„Erraten!“
„Der eine nicht zu sehr Spröde zu diesem splendiden Abendessen eingeladen hat?“
„Ganz so ist es.“
„Und ich soll an die Stelle dieser Schönen treten?“
„Sie besitzen ein wunderbares Sehervermögen.“
„Oh, meine Eßwerkzeuge sind noch wunderbarer. Aber, sagen Sie, ist keine Gefahr bei der Sache?“
„Nicht die mindeste.“
„Man wird mich doch nicht etwa beim Schlafittchen nehmen!“
„Das fällt niemandem ein. Der Betreffende wird ganz im Gegenteil sehr froh sein, wenn von der Sache nichts ausgeplaudert wird.“
„Darf ich nach dem Namen fragen?“
„Ja. Hierbei wird sich unser Papa Werner auch mit interessiert fühlen. Nämlich die Tänzerin Leda – ah, haben Sie von dem morgigen Wettanz gehört, Hauk?“
„Ja. Ich weiß alles.“
„Gut. Herr Léon Staudigel stellt der Leda seine ganze Truppe zur Verfügung, während keiner der Seinen die Amerikanerin beklatschen darf.“
„Schikane!“
„Dafür hat die Leda ihm versprechen müssen, ein süßes Schäferstündchen mit ihm zu verleben.“
„Wann?“
„Morgen gleich nach der Vorstellung. Für dieses Liebesabenteuer ist im Bellevue das besagte Abendessen bestellt worden. Staudigel und die Leda wollen also dort gegen elf Uhr per Equipage angefahren kommen.“
„Und ich soll an Stelle der Leda treten?“ fragte der Paukenschläger.
„Ja.“
„Wer hat diesen Plan ausgeheckt?“
„Es kam mir soeben in den Sinn.“
„Ich habe diesen alten Staudigel verteufelt auf dem Puff! Ich möchte ihm gern diesen Streich spielen; aber der Jux erscheint mir denn doch zu gewagt.“
„Was sollte zu befürchten sein?“
„Wenn er mich anzeigt, verklagt!“
„Das fällt ihm gar nicht ein. Seine Frau darf von dem Souper gar nichts ahnen; sie würde es aber unbedingt erfahren, wenn er gegen Sie auftreten sollte. Ferner muß er das Publikum fürchten. Denken Sie sich den Skandal, wenn man erführe, daß Herr Léon Staudigel ein süßes Tête-à-tête für sechzig Gulden mit einem – Paukenschläger gehabt habe!“
„Das ist wahr. Ich glaube, er würde mir noch ein feines Trinkgeld geben, damit ich nur den Mund halte.“
„Ganz gewiß. Da wette ich mit.“
„Es gibt doch auch noch andere Bedenken.“
„Welche?“
„Besonders eins: Er muß doch sofort sehen, daß ich überhaupt gar keine Dame und am allerwenigsten die Leda bin. Er müßte denn morgen blind sein.“
„Das wird er auch sein, wenigstens in gewisser Beziehung. Ich habe nämlich vergessen, zu sagen, daß niemand wissen soll, wer die beiden sind. Darum werden sie Masken tragen.“
„Sapperment, das ist kein übler Gedanke.“
„Es werden Halbmasken sein, da sie auch während des Essens nicht abgelegt werden. Der dabei bedienende Wirt soll die beiden auch nicht erkennen. Er weiß es aber bereits, wer sie sind.“
„Haben Sie es ihm verraten?“
„Ja. Erst wenn er sich entfernt hat, also nach der Tafel, wird Staudigel die Entfernung der Maske verlangen, denn dann werden die Liebenswürdigkeiten in Szene gesetzt werden sollen. Wenn Sie sich entschließen könnten, diese Rolle zu übernehmen, wäre Ihnen eine feine Gratifikation gewiß.“
„Von wem?“
„Vom Fürsten von Befour.“
„Sapperment! Kennen Sie ihn?“
„Sehr gut.“
„Steckt er mit im Komplott?“
„Ja.“
„Hm, wenn der dabei ist, so brauche ich freilich nichts zu fürchten. Die Sache ist ganz und gar nach meinem Geschmack. Gutes Essen, feines Getränk, noble Bedienung, eine Extragratifikation und, was die Hauptsache ist, der ungeheure Jux, den es mir selber macht. Ich möchte also gern und gut ja sagen aber – wo nehme ich die dazu erforderliche Damengarderobe her?“
„Dafür wird gesorgt. Daß wir dem Staudigel einen
Weitere Kostenlose Bücher