64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
Wunderlich hervor.
„Allerdings!“
„Der draußen gesucht wird!“
„Aber nicht gefunden!“
„Hier in meinem Haus.“
„Was tut das? Fürchten Sie sich?“
„Um Gottes willen, leise, leise. Wenn man Sie hört!“
„Ja, sprechen wir leiser. Nun aber, da ich mich Ihnen vorgestellt habe, werden Sie mir nicht mehr sagen, daß es sich nur um ein einfaches Diskontgeschäft handelt!“
Er blickte sie lächelnd an, und als keiner von beiden antwortete, fuhr er fort:
„Jetzt wiederhole ich meinen Wunsch: Ich will Ihnen für zehntausend Gulden abkaufen.“
„Das geht nicht“, sagte Wunderlich, welcher jetzt einsah, daß Leugnen Dummheit sein würde.
„Warum nicht?“
„Ich verkaufe nur gegen bar.“
„Ich bezahle bar. Herr Leutnant, bitte, zeigen Sie mir einige dieser Noten.“
Scharfenberg sagte nichts, weigerte sich aber auch nicht. Vor dem Hauptmann brauchte er sich wohl nicht zu schämen. Er zog ein paar Scheine hervor und gab sie ihm. Der Baron prüfte sie bei dem Licht und sagte dann im Ton der Bewunderung:
„Das ist wirklich ein Meisterstück! Wieviel Provision geben Sie?“
„Dreißig Prozent“, antwortete Wunderlich, welcher aber dem Leutnant mehr bewilligt hatte.
„Schön! Ich befinde mich auf der Flucht. Ich kann bei dieser Gelegenheit mein Reisegeld vergrößern. Ich habe für zehntausend Gulden gute Noten. Wollen Sie dieselben haben?“
„Hm! Ich muß auch auf meine Sicherheit sehen!“
„Glauben Sie, daß ich Sie verrate?“
„Nein. Aber es ist möglich, daß man Sie ergreift, und dann findet man meine Noten.“
„Weiß man es, von wem sie sind?“
„Der geringste Umstand kann es verraten.“
„Bedenken Sie, daß ich gezwungen bin, mich hier nie wieder sehen zu lassen.“
„Noch sind Sie nicht fort!“
„Aber ich komme fort!“
„Die Straßen wimmeln von Militär und Polizei!“
„Pah! Das geht mich gar nichts an! Der Herr Leutnant wird dafür sorgen, daß man mich ohne Beanstandung passieren läßt.“
„Ich?“ fragte Scharfenberg verwundert.
„Ja.“
„Wieso?“
„Sie werden die Güte haben, Ihre Uniform mit meiner Kleidung zu vertauschen!“
„Ah! Fällt mir nicht ein!“
„Bedenken Sie, daß wir fast einer Statur sind!“
„Mir gleich!“
„Daß wir gute Freunde sind.“
„Nur passabel!“
„Und daß ich Ihren Anzug brauche!“
„Aber nicht ich den Ihrigen.“
„Sie werden ihn als Andenken behalten.“
„Danke! Es gelüstet mich gar nicht danach.“
„Dennoch werden Sie es tun, freiwillig oder –“
Er hielt inne. Des Leutnants Augen blitzten auf.
„Was oder –?“ fragte er.
„Freiwillig oder gezwungen.“
„Ah, Sie wollen mich zwingen?“
„Ja.“
„Wodurch oder womit?“
„Ich teile der Polizei Ihren Banknotenhandel mit.“
„Pah! Man glaubt es Ihnen nicht. Bringen Sie Beweise? Übrigens dürfen Sie sich nicht sehen lassen. Sie können also nur brieflich denunzieren. Welchen Eindruck soll das machen?“
„Doch einen. Man wird sämtliche Noten untersuchen, welche von Ihnen ausgegeben worden sind!“
Der Offizier schien doch verlegen zu werden, dennoch sagte er achselzuckend:
„Man versuche es!“
„Ja, man würde es versuchen, und Sie wären verloren, Sie und der alte Ruhm der Scharfenbergs. Aber es gibt noch eins, was ich tun würde.“
„Was?“
„Sie kennen doch die Leda!“
Jetzt erbleichte der Leutnant.
„Nun, was sagen Sie dazu, Herr von Scharfenberg?“
„Ich bin mir keiner Schuld bewußt.“
„Es gibt Dinge, welche einem Offizier nie verziehen werden, obgleich sie zu dem Strafgesetzbuch gar nicht in Beziehung stehen. Ich würde Ihr Verhältnis zu Leda unbedingt der Öffentlichkeit preisgeben, natürlich ebenso auch Ihr Verhalten gegen den unschuldig verurteilten Petermann. Sie müßten den Dienst quittieren und dürften sich niemals wieder vor einem Kavalier sehen lassen.“
„Sie sind ein Teufel!“
„Nein. Ich verlange nur Ihren Anzug und gebe Ihnen dafür den meinigen.“
„Des Königs Rock! Wenn es ruchbar wird!“
„Werde ich es sagen? Von der Grenze her sende ich Ihnen die Sachen wieder zu.“
„Wollen Sie auch den Mantel?“
„Ja.“
„Degen?“
„Natürlich. Alles, alles, sogar die Stiefel.“
„Hm! Sie geben mir Ihr Wort, mich nicht zu verraten?“
„Mein Ehrenwort als Baron und Hauptmann!“ lächelte er.
„Und mir die Sachen von der Grenze her wieder zusenden?“
„Haben Sie so wenig Kleidung?“
„Pah! Es handelt sich nicht darum, sondern
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