Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

Titel: 64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
gewesen war, hatte er beim Lesen einer Zeitung die in derselben enthaltene Gewinnliste der Landeslotterie gefunden und war dadurch auf den Gedanken gekommen, spaßeshalber auch einmal ein Los zu nehmen. Er bestimmte bei sich selbst, den etwaigen Gewinn für die Armen oder für irgendeinen milden, menschenfreundlichen Zweck zu verwenden.
    Er hatte diesen augenblicklichen Gedanken auch wirklich in Ausführung gebracht und dann das Los im Portemonnaie bei sich getragen. Heute nun hatte er in einem Kaffeehaus die vorgestrige Ziehungsliste gefunden und dabei die frohe Entdeckung gemacht, daß auf sein Los ein kleiner Gewinn gefallen sei.
    „Sogleich zum Kollekteur“, sagte er zu sich und führte diesen Vorsatz auch sofort aus.
    Als er in die Wohnung des Kollekteurs kam, sagte die Frau desselben, daß dieser zwar ausgegangen sei, aber baldigst wiederkehren werde. Sie nötigte ihn, in das Nebenzimmer zu treten, wo ihr Mann seine wenigen Schreibereien auszumachen pflegte. Er ließ sich dies gefallen, setzte sich dort nieder und griff, um sich die Zeit zu vertreiben, zu einem Buch, welches auf dem Tisch lag.
    Die Frau hatte in der Küche zu tun. Ihr Schwiegervater, der Vater des Kollekteurs, war für einige Minuten im Hof des Gebäudes gewesen und kam in die Stube zurück, ohne zu ahnen, daß sich jemand im Nebenzimmer befinde. Er stellte sich an das Fenster und blickte in reger Erwartung hinab auf die Straße, bis er seinen Sohn kommen sah. Als dieser in die Stube trat, sahen sie sich, Vater und Sohn, allein, und nun konnte Zander folgendes höchst interessante Gespräch durch die dünne Tür vernehmen:
    „Endlich, endlich! Ich habe mit Schmerzen gewartet!“
    „Es ging nicht schneller!“
    „War Salomon Levi zu Hause?“
    „Ja.“
    „Hast du ihm den Vorschlag gemacht?“
    „Natürlich! Ich bin ja nur deshalb zu ihm gegangen.“
    „Und was sagte er?“
    „Er war natürlich sofort dabei; aber es kostete Mühe, ihn auf die fünfzigtausend Gulden zu bringen. Er bot erst gar nur fünftausend.“
    „Ihr habt also abgeschlossen?“
    „Das versteht sich ganz von selbst.“
    „Aber doch mit Vorsicht?“
    „Ja. Diesem Juden ist nicht zu trauen. Hat er einmal das Los, so läßt er den Gewinn auszahlen, ohne mir einen Kreuzer zu geben.“
    „Wie hast du es gemacht?“
    „Er mußte mir einen Wechsel auf fünfzigtausend Gulden geben und ich gab ihm einen Revers, falls er das Los nicht bekommen sollte.“
    „Er wird es doch kriegen?“
    „Er zweifelte nicht. Er sagte, daß er den Graveur Herold unter Umständen zwingen könne, es ihm abzulassen. Dieser Kerl ist ein wahrer Satan. Er hat gar manchen in der Hand, ohne daß man es ahnt.“
    „Welch ein Glück, daß die Depesche kam. Das große Los. Der Telegrafist wird doch auch die Nummer ganz genau depeschiert haben!“
    „Versteht sich! Bei so etwas müssen diese Leute doppelt aufpassen. Nummer 4 5 3 3 2! Eigentlich tut es mir leid um den Graveur!“
    „Unsinn!“
    „Er ist blutarm!“
    „Das geht uns nichts an!“
    „Er hat gewiß gehungert, um nur das Geld für das Los zusammenzubringen.“
    „Der Jude wird es ihm abkaufen und einen guten Preis dafür bezahlen!“
    „Laß nur um Gottes willen meiner Frau nichts von dem Handel merken! Wenn die erführe, daß wir den Graveur um hunderttausend Gulden betrügen, sie würde es nie- und nimmermehr zugeben.“
    „Was fällt dir ein! Werde ich so etwas ausplaudern! Aber, zeige mir doch einmal den Wechsel!“
    „Hier ist er!“
    Nach einigen Augenblicken hörte Zander:
    „Ah, auf Sicht?“
    „Natürlich, das ist das sicherste. Wenn ich zu zahlen habe, bekommt der Jude die Hälfte des Gewinns und den Wechsel zurück. Dann sind wir quitt. Wo aber stecke ich den Wechsel hin?“
    „Verstecke ihn draußen in deiner Stube!“
    „Nein, das darf ich nicht.“
    „Warum nicht?“
    „Weil meine Frau überall herumkramt. Wenn sie ihn fände, wäre ja alles verraten!“
    „Ich wüßte aber weiter keinen anderen Platz.“
    „Oh, doch!“
    „Wo?“
    „In deiner Schlafkammer.“
    „Da kommt doch deine Frau täglich hinein, wenn sie mir das Bett macht.“
    „Aber in deine Lade kann sie nicht, da hast nur du den Schlüssel.“
    „Richtig, das geht. Wir stecken den Wechsel in die Lade, in das Beikästchen. Gib her!“
    „Ich gehe mit. Ich muß da selbst auch sehen, wohin er zu liegen kommt. In solchen Dingen kann man nicht vorsichtig genug sein. Komm, Vater!“
    Sie gingen fort.
    Zander hatte ein jedes Wort verstanden. Er

Weitere Kostenlose Bücher