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64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

Titel: 64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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begriff leicht, um was es sich handelte; es waren sogar die Namen genannt worden. Es verstand sich ganz von selbst, daß er nicht merken lassen wollte, daß er das Gespräch belauscht habe. Darum trat er aus dem Nebenzimmer in die Wohnstube zurück und stellte sich so in die Nähe der Tür, daß die beiden, wenn sie zurückkehrten, annehmen mußten, er sei eben erst jetzt gekommen. Und kam die Frau aus der Küche, nun, so wollte er sagen, es sei ihm da draußen die Zeit zu lang geworden.
    Er hörte auch sehr bald Schritte. Der Kollekteur kam mit seinem Vater aus der Kammer zurück. Die Anwesenheit eines Fremden erweckte in ihnen kein Mißtrauen. Sie grüßten, und der Lotteriebeamte fragte Zander, was er wolle.
    „Sie kennen mich wohl nicht mehr?“ fragte dieser.
    „Ich muß Sie allerdings bereits gesehen haben.“
    „Ich habe kürzlich ein Los bei Ihnen genommen und Ihnen da auch meinen Namen genannt.“
    „Welche Nummer?“
    „Diese hier.“
    Er gab ihm das Los hin.
    „Ah, richtig! Sie haben wohl die Liste gelesen?“
    „Ja. Darum bin ich hier.“
    „Sie sind glücklich gewesen. Sie haben fünfhundert Gulden gewonnen.“
    „Wann werden die Gewinne ausgezahlt?“
    „Eigentlich erst am Schluß der Lotterie. Sie möchten das Geld aber wohl schon früher?“
    „Wenn es möglich ist, allerdings.“
    „Vielleicht schon heute, jetzt?“
    „Ja.“
    „Nun, das ließe sich wohl machen. Könnten Sie sich zu einem Diskonto verstehen?“
    „Wieviel?“
    „Fünf Prozent.“
    „Das wären also fünfundzwanzig Gulden?“
    „Ja.“
    „Und außerdem werden auch die gewöhnlichen Verwaltungsprozente abgezogen?“
    „Freilich.“
    „Danke sehr!“
    „Na, so müssen Sie eben warten!“
    „Oh, vielleicht doch nicht.“
    „Wie? Was? Wie sehen Sie mich denn an? Sie lachen? Ich zahle Ihnen das Geld nicht eher, als bis zur gesetzlichen Frist. Verstanden?“
    „Ich meine, daß Sie es mir jetzt bezahlen werden.“
    „Fällt mir nicht ein!“
    „Nun, so werde ich der Direktion mitteilen, daß Sie Diskonto verlangt haben. Das ist verboten. Die Direktion der Landeslotterie wünscht keineswegs, daß ihre Beamten nebenbei Wuchergeschäfte treiben!“
    Da richtete sich der Kollekteur vor ihm in die Höhe, stemmte die Arme in die Seiten und sagte:
    „Ich verstehe Sie nicht! Was sagten Sie? Sprachen Sie nicht von Diskonto?“
    „Ja.“
    „Ich weiß ja gar nicht, was Sie meinen!“
    „Ich meine, daß Sie kein Diskonto verlangen dürfen, am allerwenigsten aber fünf Prozent.“
    „Ich? Habe ich verlangt?“
    „Natürlich!“
    „Herr, Sie sind wohl des Teufels!“
    „Schwerlich!“
    „Oder haben Sie mich falsch verstanden! Was haben Sie denn da eigentlich gehört.“
    „Ah, da ich Ihnen drohe, wollen Sie leugnen!“
    „Fällt mir gar nicht ein! Ich habe nichts getan, was ich nachher zu leugnen hätte!“
    „Das wird sich finden. Ich weiß, was ich sage!“
    „Vater, hast vielleicht du gehört, daß ich Diskonto verlangt habe, he?“
    „Kein Wort!“
    „Sehen Sie! Sie wissen nun, woran Sie sind, und nun lassen Sie uns gefälligst in Ruhe!“
    „Das werde ich nicht. Ich werde zwar gehen, aber ich komme bald wieder, und zwar mit der Polizei.“
    „Sind Sie verrückt? Wegen des Diskonto, was Sie sich nur einbilden? Packen Sie sich fort, sonst werfe ich Sie hinaus, Sie – Märchenerfinder! Mehr will ich Ihnen nicht sagen!“
    „Ist auch nicht nötig! Ich halte Wort; ich komme wieder, aber nicht allein!“
    Er ging. Er schritt langsam und nachsinnend die Straße entlang und trat in ein Gasthaus, wo er sich ein Glas Wein und das Adreßbuch geben ließ. Er schlug nach und fand, daß der Graveur Herold und der Jude Salomon Levi fast nebeneinander wohnten. Er beschloß, sofort den ersteren aufzusuchen.
    Er stieg mühsam zu der hohen Giebelwohnung empor, aber Zander war als Arzt dieses Treppensteigen in fremden, finsteren Häusern gewöhnt. Als er an die Tür klopfte, war es ihm, als wenn er drinnen ein halblautes Weinen gehört habe, welches schnell verstummte.
    Er trat ein und sah, daß er sich bei einer trauernden Familie befinde. Man war soeben beschäftigt, die Leiche einer alten Frau in einen Sarg zu legen. Ein Mann und zwei Frauen waren dabei beschäftigt; mehrere Kinder standen weinend in der Nähe.
    „Entschuldigung!“ sagte er. „Mein Name ist Doktor Zander. Ich komme –“
    „Um den Totenschein auszustellen, Herr Doktor?“ fragte der Mann schnell.
    „Nein. Ich komme nicht als Arzt, sondern in einer

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