64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
herein, bis wir sind geworden fertig mit unserer Unterredung.“
Die Alte gehorchte, und ihr Mann komplimentierte die beiden in seine Stube, wo er sie zum Niedersetzen nötigte.
„So“, sagte er. „Nun bin ich neugierig zu erfahren, was Sie sind gekommen zu fragen!“
„Ich hoffe, daß Sie uns eine wahrheitsgetreue Auskunft erteilen!“ meinte der Staatsanwalt.
„Ich werde Ihnen sagen alles, was Sie wissen wollen.“
„Gut! Machen Sie Wechselgeschäfte?“
„Wechselgeschäfte? Was meinen Sie mit diesem Wort?“
„Ob Sie Wechsel in Zahlung nehmen?“
„Ja, nämlich wenn der Akzeptant ist ein sicherer Mann.“
„Und zahlen Sie selbst auch zuweilen in Wechseln?“
„Ja, denn ich muß doch wieder ausgeben die Papierchens, welche ich habe eingenommen.“
„Wann haben Sie das zum letzten Mal getan?“
„Werde ich nachschlagen im Buch.“
Er öffnete ein Geschäftsbuch, schlug nach und sagte dann:
„Habe ich ausgegeben vor fünf Tagen ein Akzeptchen des Kaufmanns Wolkenberg, lautend auf hundert Gulden.“
„Nach dieser Zeit haben Sie keinen Wechsel ausgegeben?“
„Nein.“
„Zum Beispiel heute? Besinnen Sie sich.“
„Ich brauche nicht zu sinnen in meinem Gedächtnis. Ich müßte es doch wissen, wenn ich ausgegeben hätte heute ein Papier.“
„Und doch behauptet man, daß Sie heute einen Wechsel akzeptiert haben, Herr Levi!“
„Akzeptiert? Ich selbst?“
„Ja.“
„Das ist nicht wahr.“
„Ich hoffe, daß Sie sich doch noch erinnern.“
„Herr Staatsanwalt, ich bin nicht ein reicher Mann, aber meine Arbeit hat doch wenigstens gehabt so viel Erfolg, daß ich nicht brauche zu bezahlen in Papieren, welche ich habe selbst akzeptiert. Meine Kasse ist immer in Ordnung.“
„Das mag sein. Aber zuweilen handelt es sich um Summen, welche man nicht sofort bar in der Kasse hat.“
„Mit so hohen Beträgen arbeite ich nicht.“
„Hm! Spielen Sie an der Börse?“
„Nein. Ich hasse die Spekulation.“
„Sie spielen wohl überhaupt nicht?“
„Nein. Das Spiel ist ein großmächtiges Laster! Es bringt die Menschen ins Verderben, in Armut und Schande.“
„Es gibt Spiele, welche man nicht unter die Laster zu zählen pflegt, zum Beispiel das Lotteriespiel.“
„Nein, das ist kein Laster, da hat es die Erlaubnis und Genehmigung der Regierung des Staates.“
„Spielen Sie zuweilen?“
„Noch nie.“
„Auch jetzt nicht?“
Jetzt wurde er doch bedenklich. Hatte die Anwesenheit des Staatsanwalts etwas mit dem gekauften Los zu schaffen? Am liebsten hätte er geleugnet, aber es mußte ja bekannt werden, daß ihm das Große Los zugefallen sei; darum war ein Leugnen nicht recht am Platz. Er antwortete:
„Ich habe es jetzt versucht, zum ersten Mal.“
„So? Welche Nummer haben Sie?“
„Fünfundvierzigtausenddreihundertzweiunddreißig.“
„Natürlich haben Sie das Los in Ihrem Besitz?“
„Ja.“
„Seit wann haben Sie es?“
„Seit längerer Zeit.“
„Vom Kollekteur?“
„Nein. Ich habe es gekauft von einem, welcher brauchte Geld.“
„Wer ist dieser Mann?“
„Der Graveur Herold.“
„Sie kennen ihn also?“
„Ja. Wohnt er doch in meinem Haus.“
„Wieviel haben Sie für das Los bezahlt?“
„Dreißig Gulden.“
„Das ist viel. Es kostet doch nur fünf!“
„Aber es ist die letzte Ziehung, wo leicht kann darauf fallen ein großer Gewinn.“
„Haben Sie nicht noch mehr dafür bezahlt?“
„Nein.“
„Nicht noch fünfzigtausend Gulden?“
Jetzt erschrak er, aber er faßte sich schnell und antwortete:
„Hält mich der Herr Staatsanwalt für verrückt?“
„Nein; ich halte Sie sogar für einen Mann, welcher sehr gut, ja außerordentlich gut zu rechnen versteht.“
„So werde ich doch nicht bezahlen ein halbes Hunderttausend für ein kleines Stück Papier!“
„Es kann ja die Hunderttausend darauf fallen!“
„Das aber weiß man nicht.“
„Allerdings. Kennen Sie den Kollekteur?“
„Nein, da ich nicht von ihm selbst habe das Los.“
„So waren Sie nicht bei ihm?“
„Niemals.“
„Aber er war bei Ihnen?“
„Auch nie!“
„Man hat ihn aber doch heute aus Ihrem Haus kommen sehen?“
„Ich weiß nichts davon!“
„Wunderbar! Kennen Sie vielleicht dieses Papier?“
Er zog den Wechsel hervor und zeigte ihn dem Juden. Dieser fuhr entsetzt zurück und rief:
„Gott der Gerechte! Wie kommt der Wechsel in Ihre Hand?“
„Ich habe ihn von dem Kollekteur. Sie geben doch zu, ihn akzeptiert zu haben?“
„Nein, nein!
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