64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
heute Abend klarer sehen als jetzt. Wir müssen uns ein Versteck herrichten, in welchem wir alles sehen und hören können, ohne daß wir selbst uns in Gefahr befinden.“
„Das läßt sich sehr leicht herrichten“, sagte Anton.
„In welcher Weise denkst du?“
„Nun, diese Kesselgrube ist mit Ziegeln ausgemauert. Man entfernt diese an einer Stelle und macht eine Öffnung, in welcher wir uns verstecken können.“
„Aber diese Öffnung darf doch nicht offen bleiben.“
„Nein. Das Loch wird mit Ziegeln wieder zugesetzt, und dieses ist selbst von innen leicht zu bewerkstelligen. Einige kleine Löcher zum Durchblicken werden sich leicht anbringen lassen.“
„Hm! Der Gedanke ist nicht übel.“
„Wollen Sie mir die Ausführung überlassen, gnädiger Herr?“
„Wenn du mir versprichst, vorsichtig zu sein.“
„Das liegt in meinem eigenen Interesse!“
„Heute abend dürfte keine Spur von dem vorhanden sein, was unterdessen geschehen ist.“
„Was das betrifft, so garantiere ich, daß nicht ein einziger Fingerhut voll Erde oder Ziegelmehl hier auf den Boden fallen soll. Ich werde das zu arrangieren wissen!“
„Aber wer soll die Arbeit unternehmen? Kann man dem ersten besten Maurer trauen?“
„Ich nehme einige Polizisten dazu.“
„Schön, gut! Das ist das sicherste!“
„Und damit wir bei der Arbeit nicht überrascht werden, lasse ich die Gegend durch Detektive bewachen. Am liebsten wäre es mir, wenn ich sogleich beginnen könnte.“
„Tue es. Gehe auf die Hauptwache und melde dem Polizeidirektor, um was es sich handelt!“
„Und ich?“ fragte Adolf. „Soll ich helfen?“
„Nein. Dich brauche ich vielleicht anderweit.“
„Sie werden sich heute abend vor Beginn der Versammlung in das Versteck zu begeben haben.“
„Natürlich.“
„Da werde ich um den Genuß kommen, dabei zu sein!“
„Weil du mit dem Hauptmann zusammenzutreffen hast? Ärgere dich nicht darüber! Ich denke, daß du auch genug Arbeit bekommen wirst. Jetzt muß ich nach dem Gerichtsgebäude. Adolf, geh du zu Robert Bertram und zur Baronesse von Helfenstein. Sage den beiden von mir, daß sie ihre Wohnung bis auf weiteres nicht verlassen und auch keinen fremden Menschen bei sich Zutritt gestatten sollen.“
Die beiden Polizisten entfernten sich einzeln, und erst nach einiger Zeit folgte ihnen der Fürst. Ehe er das öde Gebäude verließ, blickte er nach allen Seiten durch die fensterlosen Öffnungen hinaus, um zu erspähen, ob er vielleicht heimlich beobachtet werde. Er vermochte aber nicht das geringste Verdächtige zu erblicken.
Im Gerichtsgebäude angekommen, begab er sich zu dem Staatsanwalt. Dieser schien auf ihn gewartet zu haben, denn er empfing ihn mit einem:
„Endlich, Durchlaucht! Ich dachte, Sie würden früher kommen.“
„Ich wurde zurückgehalten. Sie haben die Schmiede noch nicht vorgehabt?“
„Nein. Ich erhielt Ihre Karte und sah aus dem Inhalt, daß Sie wünschten, dem Verhör beizuwohnen. Darum habe ich bis jetzt gewartet.“
„Ich bin Ihnen für diese Gefälligkeit sehr verbunden.“
„Oh, was das betrifft, so bin und bleibe doch nur ich Ihr Schuldner. Sie haben uns seit einiger Zeit so unter die Arme gegriffen, daß von Gefälligkeiten unsererseits gar keine Rede sein kann. Soll ich also jetzt klingeln?“
„Welchen werden Sie zunächst vornehmen?“
„Den Alten. Denken Sie nicht?“
„Ja. Aber ich bitte Sie, noch einige Augenblicke zu warten. Ich habe Ihnen vorher eine Mitteilung zu machen.“
„Sprechen Sie, Durchlaucht!“
„Falls der Schmied nicht gestehen sollte, darf ihn da vielleicht ein anderer vernehmen?“
„Hm! Sie wissen, daß ich als Staatsanwalt –“
„Ich weiß es!“ fiel der Fürst ein. „Aber hier gibt es einen Fall, welcher eine Ausnahme erleidet.“
„Welchen anderen meinen Sie?“
„Brandt.“
„Brandt? Ich kenne keinen Brandt.“
„Nicht? Sie waren doch mit bei mir, als von ihm so viel gesprochen wurde.“
„Ah! Sie meinen Gustav Brandt, den Flüchtling?“
„Ja.“
„Dieser soll den Schmied vernehmen?“
„Ja.“
„Aber, da müßte er doch anwesend sein!“
„Das ist er auch.“
„Wo? Befindet er sich in der Residenz?“
„Allerdings.“
„Durchlaucht, in diesem Fall muß ich ihn arretieren lassen.“
„Doch nicht, Herr Staatsanwalt!“ lächelte der Fürst.
„O doch! Ich bin zwar seit neuestem überzeugt, daß er unschuldig ist; aber er ist verurteilt, er ist Flüchtling, und ich habe mich als Vertreter
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