64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
arm.“
„Na, so will ich mich begnügen. Geben Sie her!“
Er streckte die Hand aus. Jakob Simeon blickte ihn erstaunt an und sagte:
„Sie wollen das Geld wirklich haben?“
„Freilich! Sie haben es mir ja angeboten.“
„Nur, wenn Sie mich herumführen wollen.“
„Das will ich ja!“
„Dürfen Sie denn?“
„Ja. Der Fürst ist in dieser Beziehung nicht engherzig. Er gönnt es uns, wenn wir uns einige Gulden Führerlohn verdienen. Ich darf Sie überall hinführen, nur in zwei Zimmer nicht.“
„Warum in diese nicht?“
„Weil in dem einen der Fürst arbeitet, und in dem anderen wohnt eine Dame.“
„Wer ist diese Dame?“
„Das ist Ihnen gleichgültig. Nun also, soll ich Sie führen?“
„Ja. Hier ist das Geld!“
Adolf steckte das Geld mit innerem Vergnügen ein. Der Jude wurde geprellt und bezahlte auch noch. Jakob Simeon hingegen war seinerseits ganz glücklich, seinen Zweck auf eine so leichte und billige Weise zu erreichen. Die Dame, von welcher der Diener gesprochen hatte, war sicherlich keine andere als Ella von Helfenstein. Es galt nun, ausfindig zu machen, wo dieselbe wohne.
Der Diener führte ihn hinab in den Flur des Parterres, wo der Umgang begann. Von da begaben sie sich nach der ersten Etage, wo sie wirklich alle Räume betraten, ausgenommen das Zimmer, in welchem sich der Fürst augenblicklich befand. Ebenso war es in der zweiten Etage, wo nur ein einziges Zimmer nicht geöffnet wurde.
„Wer wohnt da drin?“ fragte der Jude.
„Die Dame, von der ich sprach.“
„Wer ist sie?“
„Das ist Geheimnis.“
Aber gerade als der Diener dies sagte, öffnete sich die Tür.
„Wer ist da?“ fragt eine weibliche Stimme.
Die Baronin trat heraus und blickte die beiden an, ganz in Weiß gekleidet.
„Wollten Sie zu mir?“ fragte sie.
„Nein, gnädige Frau“, antwortete Adolf.
Sie trat wieder zurück. Der Jude zitterte fast vor Freude. Er war glücklicher gewesen, als er es für möglich gehalten hatte. Er hatte die Baronin sofort erkannt.
Daß ihr Erscheinen eine abgekartete Sache sei, das fiel ihm gar nicht ein. Er wußte nun, wo sie wohnte, und das war ihm genug.
Jetzt ging es nach dem Mansardenraum hinauf. Auch dort wurden alle Türen geöffnet. Einer dieser Räume, lang und schmal wie ein Korridor, war durch zwei starke, eisenbeschlagene Türen verschlossen. Der Schlüssel hatte auf einem Balken gelegen, welcher sich über der Tür befand.
„Weshalb diese eisernen Türen?“ fragte der Jude.
„Auch das ist ein Geheimnis. Aber Sie haben ein so sehr ehrliches Gesicht, und Sie haben mir ein nach Ihren Kräften reichliches Trinkgeld gegeben, und so will ich es Ihnen sagen: Dies ist nämlich die Schatzkammer des Fürsten.“
Es durchrieselte den Juden wie Feuer und Eis.
„Schatz – kam – mer!“ sagte er silbenweise.
„Ja.“
„Hier oben!“
„Wo sonst?“
„Man pflegt die Reichtümer im Keller oder in feuerfesten Schränken aufzubewahren.“
„Ja, man pflegt! Aber gerade deshalb macht der Fürst es anders. Die Diebe suchen das Geld und die Pretiosen im Keller oder im Kassaschrank, hier aber gewiß nicht. Kein Mensch weiß etwas davon; Ihnen aber will ich es sagen. Vor einiger Zeit brach der Hauptmann hier ein, des Nachts, als wir alle schliefen.“
„Herr meiner Seele! Der Hauptmann?“
„Ja. Er leerte die Kassaschränke. Aber er mag sich dann entsetzlich geärgert haben, denn mein Herr hatte nichts darin, als lauter schlechtes, wertloses und imitiertes Zeug. Dadurch rettete er den wirklichen Schatz.“
„Wie fein und klug Ihre Durchlaucht ist!“
„Ja. Nun sehen Sie einmal hier herein! Nicht wahr, Schrank an Schrank, Kiste an Kiste!“
„Und alles ist voll?“
„Alles!“
„Gott der Gerechte! Was steckt da drin?“
„Geld in Metall und Papier, goldene und silberne Geschirre und Geschmeide und ähnliches.“
„Ah, wer das einmal sehen könnte!“
„Das ist sehr leicht. Dieser Schlüssel, der die beiden Türen schließt, schließt auch die Kisten und Schränke.“
„Und der liegt da oben?“
„Ja, stets!“
„Wie unvorsichtig!“
„Warum?“
„Da finden die Diebe alles beisammen!“
„Oh, das ist wieder ein Beweis von der Klugheit des Fürsten. Kein Dieb wird den Schlüssel so nahe beim Schloß suchen; das ist gewiß.“
„Wollen Sie nicht einmal eine der Kisten öffnen?“
„Gern täte ich es, aber meine Zeit ist abgelaufen, und für Ihren Gulden haben Sie genug gesehen.“
„Und Ihr Ring? Wollen Sie ihn
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