64 Grundregeln ESSEN
seit vielen Generationen Soja in Form von Tofu, Sojasoße oder Tempeh, aber heute konsumieren wir Novitäten wie »isoliertes Soja-Protein«, »Soja-Isoflavone«, »texturiertes pflanzliches Eiweiß« aus Soja und teilweise gehärteten Sojaölen. Ob diese neuartigen Nahrungsprodukte gesund sind, ist durchaus fraglich. Ein leitender Wissenschaftler der US-Bundesbehörde für Lebens- und Arzneimittel sowie Medizinprodukte schrieb: »Das Vertrauen in die Unbedenklichkeit von Sojaprodukten beruht eindeutig eher auf dem Glauben als auf Fakten und
Zahlen.« 4 Bis diese Fakten auf dem Tisch liegen, sind Sie wahrscheinlich besser beraten, Soja auf die traditionelle asiatische Art zu essen und nicht als Teil der neuartigen Rezepturen, die Lebensmittelwissenschaftler sich ausgedacht haben.
43
Trinken Sie zum Abendessen ein Glas Wein.
Vielleicht ist der Wein nicht gerade das Wundermittel der französischen oder mediterranen Kost, aber er scheint doch ein wesentlicher Bestandteil dieser Ernährungsmuster zu sein. Es gibt heute zahlreiche wissenschaftliche Beweise für den gesundheitlichen Nutzen von Alkohol, die jahrhundertealte traditionelle Überzeugungen und anekdotische Einzelbelege bestätigen. Eingedenk der gesellschaftlichen und gesundheitlichen Folgen des Alkoholismus empfehlen Gesundheitsbehörden das Trinken nur ungern, aber Fakt ist, dass Menschen, die maßvoll und regelmäßig trinken, länger leben und wesentlich weniger unter Herzkrankheiten leiden als Abstinenzler. Alkohol aller Art scheint das Risiko für Herzkrankheiten zu verringern, aber die Polyphenole in Rotwein (insbesondere Resveratrol) besitzen offenbar einzigartige Schutzfunktionen. Die meisten Experten empfehlen maximal zwei Glas pro Tag für Männer und eins für Frauen. Der gesundheitliche Nutzen von Alkohol hängt möglicherweise genauso sehr mit dem Trinkschema wie mit der Menge zusammen: Jeden Tag ein bisschen zu trinken ist besser, als am Wochenende viel zu trinken,
und das Trinken in Verbindung mit Essen ist besser als ohne Essen. Irgendwann wird die Wissenschaft vielleicht all die komplexen Synergien verstehen, die in traditionellen Ernährungsformen am Werk sind, zu denen auch der Wein gehört. Bis es so weit ist, können wir über ihre angesammelte Weisheit nur staunen – und auf dieses Paradox unser Glas erheben.
TEIL III
Wie soll ich essen?
(Maßvoll.)
Die Regeln in Teil I und II beschäftigen sich hauptsächlich damit, was wir essen sollten. In diesem Abschnitt nun geht es um etwas, das schwerer fassbar, aber nicht weniger wichtig ist: die Verhaltensweisen, Essgewohnheiten, Tabus und unausgesprochenen Richtlinien, die insgesamt die Beziehung eines Menschen (und einer Gesellschaft) zur Nahrung und zum Essen bestimmen. Denn wie Sie essen, beeinflusst Ihre Gesundheit (und Ihr Gewicht) genauso sehr wie das, was Sie essen.
Eben das könnte der eigentliche Grund für das sogenannte »französische Paradox« sein: das Geheimnis (zumindest für die Ernährungswissenschaftler ist es eins) einer Bevölkerung, die alle möglichen angeblich todbringenden fettreichen Lebensmittel isst und sie mit Rotwein hinunterspült, die aber trotzdem gesünder, schlanker und langlebiger ist als zum Beispiel die amerikanische. Den Nährstoffwissenschaftlern entgeht dabei, dass die Franzosen eine ganz andere Beziehung zum Essen haben als die Amerikaner. Sie essen nur selten etwas zwischendurch, schmausen kleine Portionen von kleinen Tellern, holen sich keinen Nachschlag und nehmen den größten Teil ihrer Nahrung ohne Eile bei langen Mahlzeiten mit anderen Menschen ein. Die Regeln, die diesen Verhaltensweisen zugrunde liegen, sind möglicherweise wichtiger als ein einzelner »magischer« Nährstoff im Essen.
Deshalb sollen die Regeln in diesem Abschnitt eine gesündere Beziehung zum Essen fördern, ganz egal was Sie essen.
44
Zahlen Sie mehr, essen Sie weniger.
Mit dem Essen ist es wie mit vielen anderen Dingen auch: Qualität hat ihren Preis. Es gibt eine Wechselbeziehung zwischen Quantität und Qualität, und das »Esserlebnis« – die Dauer einer Mahlzeit bzw. ihr Genussquotient – hängt nicht unbedingt davon ab, wie viele Kalorien Sie verdrücken. Das amerikanische Ernährungssystem hat seine Energien viele Jahre lang eher in eine Steigerung der Quantität und eine Reduzierung des Preises als in eine Verbesserung der Qualität gesteckt. Allerdings kommen wir nicht um die Tatsache herum, dass Essen, das besser schmeckt und mehr Nährstoffe
Weitere Kostenlose Bücher