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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hagenaus, Vater und Sohn. Sie wurden mit Aufmerksamkeit überschüttet, und bereits bald nach ihrer Ankunft waren die beiden Väter so klug, ihre Kinder allein zu lassen.
    Walther von Hagenau hatte sich die für ihn bestimmte Braut sehr genau betrachtet. Als sie jetzt nebeneinander am Fenster standen, zuckte ein sarkastischer Zug um seinen Mund. Er ließ ein kurzes Lachen hören und sagte:
    „Ich liebe die Aufrichtigkeit, gnädiges Fräulein. Sie jedenfalls wohl auch?“
    „Ja. Ihr Geschmack ist in dieser Beziehung auch der meinige.“
    „So lassen Sie uns also aufrichtig sein! Kennen Sie den Grund meines heutigen Besuchs?“
    „Ja.“
    „Wir sollen uns kennenlernen.“
    „Das können wir ja tun.“
    „Schön, nur ist es zuweilen nicht leicht, sich kennenzulernen. Daher schlage ich vor, daß wir uns gegenseitig diese mühevolle Arbeit erleichtern. Wie gefalle ich Ihnen?“
    „Meinen Sie äußerlich oder –“
    „Zunächst äußerlich!“
    „Hm, Kranich!“
    „Danke!“ lachte er. „Das ist allerdings aufrichtig. Also auch bis hierher ist mein Kriegsname gedrungen. Ja, schön bin ich nun freilich nicht!“
    „Das wird auch nicht verlangt. Ihr innerer Mensch wird mich jedenfalls befriedigen.“
    „Hoffentlich. Dieser innere Mensch wird sich alle Mühe geben, sich Ihre Sympathie zu erwerben.“
    „Und wohl nicht erfolglos. Jetzt aber darf ich wohl auch fragen, ob ich Ihnen gefalle?“
    „Umgekehrt.“
    „Wieso? Wie meinen Sie das?“
    „Äußerlich gefalle ich Ihnen nicht, aber innerlich. Mir geht es mit Ihnen gerade umgekehrt.“
    „Ah! Ich gefalle Ihnen äußerlich?“
    „Ja.“
    „Nicht aber innerlich?“
    „Sie sind reizend, ja, Sie sind mehr als reizend; aber Ihre Seele ist schwarz.“
    Er sagte diese Worte so bombastisch, daß sie laut auflachte und in künstlichem Schreck hinzusetzte:
    „Wie die Nacht oder wie die Hölle?“
    „So ungefähr. Schwarz ist sie. Freilich, ob diese Schwärze eine edle oder nur Rußschwärze ist, das kann ich noch nicht unterscheiden; darum eben müssen wir uns kennenlernen. Wenn ich mein Urteil fertig habe, werde ich es Ihnen mitteilen.“
    Er hatte es aber bereits fertig, denn als auf dem Heimweg sein Vater fragte, wie Theodolinde ihm gefallen habe, antwortete er:
    „Gar nicht, lieber Vater.“
    „Wie? Was? Dieses schöne, reizende Mädchen gefällt dir nicht? Wo hast du denn deine Augen?“
    „Ganz an der richtigen Stelle. Ihre Schönheit macht Eindruck, aber dieser Eindruck ist ein unheiliger.“
    „Ich glaube gar, du fängst an zu frömmeln!“
    „So will ich mich anders ausdrücken: Ihre Schönheit ist diejenige einer Kurtisane. Und ich habe keineswegs die Absicht, mir eine Frau zu nehmen nur zum Vergnügen anderer.“
    „Du irrst.“
    „Das wollen wir sehen. Ich werde beobachten.“
    „Aber beeile dich damit! Wir brauchen Geld.“
    „Hm! Ist dieser Herr von Tannenstein wirklich reich?“
    „Ja.“
    „Warum trägt er da unechte Steine in den Ringen?“
    „Wären sie unecht?“
    „Ja, ich wette auf meinen Kopf, daß sie imitiert sind. Ich werde denn doch die Augen ein wenig aufmachen, ehe ich ein reiches Mädchen nehme, um mit ihr zu verhungern.“ –
    Am nächsten Vormittag ließ sich Jakob Simeon bei dem Freiherrn melden. Er war erwartet worden und wurde infolgedessen sogleich vorgelassen.
    „Sie wollen sich meine Entscheidung holen“, sagte der Tannensteiner. „Ich bin entschlossen, es mit Ihnen zu versuchen. Haben Sie die Kette mit?“
    „Ja.“
    „Zeigen Sie her!“
    „O bitte! Haben Sie das Geld?“
    „Ja.“
    „Zeigen Sie her! Sie sehen, daß ich Ihnen Ihre eigenen Worte zurückgebe. Man muß vorsichtig sein.“
    „Da, sehen Sie sich diese Banknoten an!“
    Der Freiherr warf ihm die Summe auf den Tisch. Der Goldarbeiter prüfte jede einzelne Note. Er hatte es wirklich kaum für möglich gehalten, eine solche Summe auf einmal ausgezahlt zu erhalten. Desto befriedigter steckte er sie zu sich und gab die Kette dafür heraus. Dann fragte er:
    „Wie gedenken Sie es nun mit den Kindersachen zu halten?“
    „Wir fahren heute nach der Residenz, nämlich ich und meine Tochter. Ich möchte keine Zeit verlieren.“
    „Gut. Wo steigen Sie ab?“
    „Das weiß ich noch nicht genau. Am besten ist es, Sie bestimmen mir Ort und Zeit, wo und wann ich Sie treffen kann.“
    „So kommen Sie nachts punkt ein Uhr zum großen Brunnen auf dem Altmarkt. Sie werden mich treffen. Hoffentlich befinde ich mich da bereits im Besitze der

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