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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Schlüssel.“
    „Das letztere ist die Hauptsache. Ich werde mich ganz bestimmt zu der angegebenen Zeit dort einfinden.“
    Jakob Simeon ging, und der Freiherr teilte seiner Tochter das Resultat der Unterredung mit. Sie erklärte, ihn nach der Residenz begleiten zu wollen. Er ging darauf ein, sprach aber die Erwartung aus, daß sie nicht etwa beabsichtigen werde, sich an dem geheimen und so gefährlichen Vorhaben zu beteiligen. Sie erklärte, daß dies im Gegenteil ihre ganz bestimmte Absicht sei. Er erschrak über die Entschiedenheit, mit welcher sie dieses Vorhaben aussprach, und sagte:
    „Bedenke, welchen Gefahren du dich dabei preisgibst!“
    „Diese Gefahren sind ganz dieselben, welchen auch du entgegengehst, Vater!“
    „Es ist ein Unterschied dabei. Ich bin Mann.“
    „Pah!“ antwortete sie. „Als ob wir Frauen nur von Watte seien! Willst du dich lieber fremden Menschen anvertrauen als mir? Ich kenne dich. Du bist kein sehr großer Held. Ich habe bedeutend mehr Mut als du!“
    „Oho!“ meinte er gekränkt.
    „Ja, es ist ganz gewiß so. Ich will dich nicht beleidigen; du mußt unbedingt zugeben, daß ich mehr Energie besitze als du. Ich habe an euern Paschergeschäften bedeutend mehr Anteil genommen als du selbst; ich war mehr, weit mehr als einfach nur deine Vertraute. Jetzt habe ich das Geld beschafft und will nun auch mitmachen.“
    „Etwa gar mit in das Amtsgebäude eindringen?“
    „Wenn ich es für nötig halte, ja.“
    „Bist du toll?“
    „Gar nicht.“
    „Wenn man dich unterwegs sieht! Eine Dame in deiner Toilette fällt auf.“
    „Unsinn! Ich werde doch nicht etwa ein Ballkleid anziehen. Ich werde schon für eine Kleidung sorgen, welche passend ist. Sei still! Ich mache mit, und dabei bleibt es!“
    „Ich sage dir, daß ich nicht einwilligen kann.“
    „Und ich sage dir, daß ich meinen Willen durchsetze! Hast du diesem Mann das Geld gegeben und die Kette erhalten?“
    „Ja.“
    „Zeige sie. Man muß sie genau ansehen.“

SECHSTES KAPITEL
    Ein Racheplan
    Im Tivoli, dem Lokal, in welchem Max Holm zur Tanzmusik die Violine gespielt hatte, war wöchentlich zweimal gewöhnlicher Ball. Diese Abende wurden nur von den Söhnen und Töchtern bürgerlicher Familien frequentiert. Zuweilen verirrte sich auch ein achtbares Dienstmädchen dorthin.
    Seit einiger Zeit hatte sich da die Zofe der Baronin Ella von Helfenstein dort eingefunden. Sie war von Seiten des Gerichts, welches das Palais des gefangenen Barons mit Beschlag belegt hatte, entlassen worden und wartete nun auf die Gelegenheit, in eine passende Stellung zu treten. Als gewöhnliches Hausmädchen wollte sie sich nicht engagieren lassen, bessere Placements aber waren selten. Das genierte sie aber nicht. Ihr Lohn war so gut gewesen, daß sie sich etwas gespart hatte. Darum konnte sie es für einige Zeit aushalten.
    Sie war sehr hübsch, darum hatte es ihr an diesen Abenden nicht an Tänzern gefehlt Heute nun hatte ihr der Briefträger ein Schreiben gebracht, dessen Verfasser zu erraten ihr unmöglich gewesen war. Es lautete:
    „Geehrtes Fräulein.
    Schon seit langer Zeit kenne ich Sie, obgleich ich mich Ihrer Aufmerksamkeit nicht erfreuen durfte. Ich sehne mich danach, Ihre Bekanntschaft zu machen und gäbe viel darum, wenn es mir gelingen könnte, Ihre Liebe zu erwerben. Sollte Ihr Herz noch nicht vergeben sein, so kommen Sie heute abend wieder in das Tivoli. Ich werde daraus merken, daß Sie noch frei sind, und dann die Gelegenheit nicht versäumen, mich Ihnen zu Füßen zu legen.“
    Unterschrieben waren diese Zeilen nicht. Jedes Mädchen freut sich, wenn sie gefällt, die Zofe freute sich auch, und zwar um so mehr, als sie eine bedeutende Portion Gefallsucht besaß. Sie war neugierig, den Verfasser kennenzulernen. Auch ohne seinen Brief hätte sie heute das Tivoli besucht; nun aber ging sie natürlich erst recht.
    Sie war kaum eingetreten, so wurde sie auch bereits engagiert. Sie tanzte fast jede Tour; aber diese Tänzer waren die gewöhnlichen; der Briefschreiber befand sich jedenfalls nicht unter ihnen. Da kam ein junger Mann die Reihe der Sitze entlang, dessen Gesicht ihr bekannt vorkam. Er blickte nicht nach ihr; er schien seine Aufmerksamkeit auf anderwärts gerichtet zu haben; aber als er an ihr vorüberschreiten wollte, fiel sein Blick wie zufällig auf sie, und er blieb stehen.
    „Verzeihung, mein Fräulein“, sagte er, „mir ist, als ob ich Sie kennen müsse.“
    Er war von stattlicher Figur und elegant gekleidet.

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