65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
anderen sitzen sieht? Jedenfalls sinnt sie auch auf Rache.“
„Ist sie denn hier?“
„Ja. Dort die dicke Kleine, uns schräg gegenüber, die kein Auge von der offenen Tür verwendet. Sehen Sie die Augen, welche sie macht? Als ob sie ihn verschlingen wollte. Das wäre eine Verbündete für Sie!“
Hulda beobachtete eine Zeitlang schweigend die dicke Jette. Dann fragte sie:
„Woher wissen Sie auch dieses von diesem Mädchen?“
„Hm! Eigentlich sollte ich es nicht wissen; aber ich habe es erlauscht. Bei meinem Prinzipal wurde verschiedenes besprochen, was nicht für uneingeweihte Ohren war.“
„Wer ist Ihr Prinzipal?“
„Er ist es nicht mehr, denn ich habe ihm das Geschäft vor kurzer Zeit abgekauft.“
„So sind Sie also jetzt selbständig?“
„Vollständig. Ich bin mein eigener Herr und habe ein sehr gutes Auskommen. Mein Prinzipal war jüdischer Abstammung und hieß Jakob Simeon.“
Sie blickte schnell und überrascht auf.
„Was! Bei dem waren Sie?“
„Ja. Kennen Sie ihn?“
„Gewiß! Er gehörte ja zu den Leuten des Haupt –“
„Woher wissen Sie, daß er zu diesen Leuten gehörte?“
„Ich hörte es von den Polizisten, welche nach der Arretierung meines Herrn das Palais besetzten. Ich belauschte sie.“
„Donnerwetter! Und Jakob Simeon hat fest geglaubt, daß es kein Mensch ahne.“
„Es wurde auch nur als eine Vermutung ausgesprochen. Ist Ihnen diese Horas da drüben nur von weitem bekannt?“
„Nein. Ich kenne sie näher. Ihr Vater war oft bei uns, und ich hatte zuweilen Aufträge des Prinzipals an ihn auszurichten. Sie heißt Jette.“
„Brr! Häßlicher Name!“
„Ebenso häßlich wie sie selbst.“
„Ich möchte wohl einmal mit ihr sprechen.“
„Doch nicht!“ meinte er ungläubig.
„Warum nicht?“
„Sie, die Schönheit selbst –“
„Schmeichler!“ lächelte sie selbstgefällig.
„Mit diesem Ausbund von Häßlichkeit!“ fuhr er fort.
„Sie kann ja nichts dafür.“
„Der Diamant neben der Rußkohle.“
„Oh, die Rußkohle ist sehr nützlich. Vielleicht kann mir diese Horas Jette auch nützlich sein.“
„Nun, was das betrifft, so habe ich mit ihr gesprochen und kann Ihnen sagen, daß Sie darauf brennt, ihrem früheren süßen Adolf eins auszuwischen.“
„Da passen wir also ganz prächtig zusammen. Wenn Sie mit ihr über solche Sachen sprechen, müssen Sie doch recht vertraut mit ihr sein?“
„Sie hält nicht gegen mich zurück.“
„Nun, so machen Sie es fertig, daß sie sich her zu uns setzt!“
„Das soll sofort geschehen.“
Er erhob sich, um den Auftrag auszuführen. Sie bemerkte noch:
„Sie werden uns für einige Zeit allein lassen. Ich denke nämlich, daß die Jette offenherziger sein wird, wenn Sie nicht dabei sind.“
Er ging. Hulda sah, welch ein erstauntes Gesicht die Dicke machte, als sie die Aufforderung vernahm. Sie folgte derselben sichtlich nur zögernd. Sie gab nicht gern den Platz auf, von welchem der Ungetreue so gut beobachtet werden konnte. Bald saßen beide Mädchen nebeneinander, in ein sehr angelegentliches Gespräch vertieft. Es kamen einige Tänzer, um Hulda zu engagieren. Sie schlug es aber ab. Die Unterhaltung war ihr wichtiger.
Der Goldarbeiter hatte sich nicht zu ihnen gesetzt. Es schlenderte im Saal herum und blieb dabei auch einige Male unter der offenen Tür halten, von welcher aus er die Nebenstube überblicken konnte.
Dort saßen Anton und Adolf mit dem Wachtmeister Landrock nebst dessen Tochter und dem jetzigen Theaterkassierer Werner und dessen zwei Töchtern. Da heute keine Theatervorstellung war, hatte dieser letztere Zeit gehabt, das Tivoli zu besuchen. Nach so langer Unglückszeit tat ihm die Änderung seines Schicksals unendlich wohl. Sein Gesicht strahlte förmlich vor Vergnügen und Zufriedenheit.
Antons Auge fiel zufällig auf Mehnert, als dieser unter der Tür stand. Er stieß Adolf an und fragte:
„Kennst du den jungen Menschen dort?“
„Gehilfe bei Jakob Simeon.“
„Dachte es mir. Ist aber nicht mehr Gehilfe, sondern selbst Besitzer. Werde ihn gleich einmal ins Examen nehmen.“
Er stand von seinem Stuhl auf und trat zu dem Goldarbeiter, ihn fragend:
„Nicht wahr, Sie sind jetzt der Besitzer des Geschäftes, in welchem Sie bisher arbeiteten?“
„Ja, Herr.“
„Haben Sie es vollständig bezahlt?“
„Das geht niemanden etwas an!“
„O bitte, ich meine es nicht bös.“
„Warum fragen Sie so?“
„Weil ich wissen wollte, ob Sie in Verbindung mit Ihrem
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