65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
Sie nicht bei Kasse sind, werden Sie wohl die Güte haben, mir Sicherheit zu geben.“
„In welcher Weise?“
„Sie stellen mir in Wechselform eine Anweisung aus, welche übermorgen fällig ist.“
„Das ist eigentlich höchst unnötig!“
„In Geschäften muß man exakt sein.“
„Nun wohl! Sie sollen die Anweisung erhalten.“
„Schön. Kommen Sie!“
Er zog den Schlüssel heraus und öffnete. Als sie eingetreten waren, verschloß er wieder und zog, ganz so wie gestern, die Laterne hervor, welche er anbrannte.
Sie gelangten ohne alle Störung oder Fährlichkeit in das betreffende Zimmer, wo sie mit Hilfe des zweiten Schlüssels sich des Kinderzeugs bemächtigten. Der Freiherr öffnete sein Päckchen, und nun wurden die Originalsachen mit den nachgeahmten verglichen.
Natürlich trugen sie dabei Sorge, daß der Schein des Lichts nicht von unten bemerkt werden konnte.
„Nun“, fragte der Tannensteiner, als seine Tochter die Vergleichung beendet hatte.
„Es ist mir ausgezeichnet gelungen“, antwortete sie. „Die Nachahmung ist so täuschend, daß man unmöglich vermuten kann, es habe hier eine Verwechselung stattgefunden.“
„Sehr gut! Legen wir also deine Sachen hinein. Die anderen nehmen wir mit!“
„Halt! Nicht so schnell!“ sagte da der Goldarbeiter, indem er die Hand der Tochter ergriff, welche nach den Worten ihres Vaters tun wollte.
„Warum?“ fragte der Freiherr.
„Es müssen alle Bedingungen ehrlich erfüllt werden.“
„Was gibt es hier noch für Bedingungen?“
„Diejenigen, welche zwischen uns festgestellt worden sind.“
„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“
„Das ist doch sehr einfach. Sie haben mir die andere Hälfte der bedungenen Summe zu bezahlen, sobald sich diese Sachen in Ihrer Hand befinden.“
„Nun ja; das ist ja abgemacht!“
„Oh, noch nicht! Die Sachen befinden sich in Ihrer Hand; das Geld haben Sie nicht. An Stelle desselben soll ich einstweilen eine Anweisung erhalten. Ich habe mich da einverstanden erklärt. Also, bitte, diese Anweisung, und dann nehmen Sie die Sachen!“
„Sind Sie des Teufels?“ fragte der Freiherr zornig.
„Nein, aber pünktlich bin ich!“
„Sie wollen die Anweisung jetzt gleich haben?“
„Ja.“
„Wo soll ich sie denn hernehmen?“
„Es gibt hier Papier genug, Tinte und Federn auch.“
„Alle Wetter! Sie muten mir zu, die Schrift hier anzufertigen?“
„Wie Sie hören!“
„Das ist doch unmöglich.“
„Wo soll es sonst möglich sein? Etwa unten auf der Straße?“
„Im Hotel!“
„Sie meinen, daß ich in Ihr Hotel kommen soll? Das kann mir nicht einfallen. Wir dürfen hier nur so lange beisammenbleiben, als es unumgänglich notwendig ist. Unten auf der Straße trennen wir uns. Es gibt also nur hier die Zeit, die Schrift anzufertigen.“
„Wo denken Sie hin! Wir müssen ja doch machen, daß wir von hier fortkommen!“
„So außerordentliche Eile hat das nicht. Zeit für ein paar Zeilen gibt es ganz gut.“
„Wenn man uns erwischt!“
„Es kommt kein Mensch.“
„Wenn ich mich aber weigere?“
„So erhalten Sie diese Sachen nicht.“
Er ergriff schnell die Gegenstände und nahm sie an sich.
„Pah!“ meinte der Freiherr. „Sie werden sie hergeben!“
„Das werde ich nicht, wenigstens nicht eher, als bis ich die Schuldverschreibung habe!“
„Wollen Sie es etwa darauf ankommen lassen, daß ich Sie zwinge?“
„Wenn es Ihnen beliebt, ja.“
„Also gar auf einen Kampf?“
„Ja.“
„Wir sind zwei gegen Sie!“
„Lächerlich! Sie haben Schießwaffen, dürfen sie aber nicht gebrauchen, wenn Sie sich nicht verraten wollen; ich aber habe hier den Totschläger. Wollen sehen, wer den kürzeren zieht!“
Sie standen einander so feindselig gegenüber, daß es Theodolinde angst wurde. Sie sah ein, wie notwendig es war, den Goldarbeiter nicht mißtrauisch zu machen. Darum gab sie ihrem Vater einen schnellen, nur von ihm bemerkten Wink und sagte:
„Keinen Streit! Herr Simeon hat recht. Es ist zwar keineswegs ratsam, uns länger als unbedingt nötig hier aufzuhalten; aber du hast ihm die Verschreibung versprochen und mußt sie ihm also auch geben.“
„Mädchen! Hier schreiben! Bedenke doch!“
„Er kann es Verlagen.“
„Er soll ja alles bekommen. Aber es hieße doch, die Gefahr geradezu an den Hörnern herbeiziehen, wenn ich mich hierhersetzen wollte, um in aller Form ein Dokument anzufertigen.“
„Die Gefahr ist nicht so groß, wie es den Anschein hat. Man wird das
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