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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Simeon wurde herbeigeholt. Man mußte ihn tragen, da ihm nicht nur die Arme, sondern auch die Beine gefesselt waren. Beide Gefangenen legte man nebeneinander auf die Dielen. Die Dienerschaft erhielt die strenge Weisung, bei ihnen zu bleiben und sie streng zu bewachen. Erst jetzt dachte Hagenau an sich. Die Köchin hatte das Verbandzeug gebracht, und er begab sich mit Ellen und Hilda in das Nebenzimmer, um sich von ihnen verbinden zu lassen.
    In solchen Fällen, wo es sich um eine vielleicht schwere, ja lebensgefährliche Verwundung handelt, ist man nicht prüde. Die sonst gewöhnliche Zurückhaltung ist da nicht an ihrem Platz, und so entblößte der Oberleutnant ohne alle Scheu die betreffende Körperstelle.
    Die Wunde blutete stark. Flur, Treppe und Vorzimmer, wo er gewesen war, zeigten eine blutige Fährte, und da, wo er jetzt stand, bildete sich eine große Blutlache. Hilda hatte alle Farbe aus ihren Wangen verloren. Sie zeigte größere Besorgnis um den Verwundeten, während die erfahrene und praktische Amerikanerin mehr Geschick in der Behandlung der Wunde an den Tag legte.
    „Leise, leise, behutsam!“ bat Hilde die Freundin. „Es muß ihm ja außerordentlich weh tun.“
    „Pah!“ antwortete Hagenau. „Es ist ein kleiner Aderlaß, gut für Schnupfen und Kopfweh. Ich glaube, der kleine Stich wird mir nur nützlich sein.“
    „Oh“, antwortete Ellen, „der Stich ist nicht so unbedenklich, wie Sie zu meinen scheinen. Er ist sehr tief.“
    „Mag sein. Aber ins Leben ist er nicht gedrungen.“
    „Wollen es hoffen. Wir werden sofort nach einem Arzt senden müssen.“
    „Bitte, nicht sofort. Wir wissen jetzt gar nicht, wo der Arzt mich treffen wird, ob noch hier oder daheim.“
    „Sie können doch unmöglich fort von hier!“
    „Jetzt noch nicht, da ich ja noch gebraucht werde, später aber will ich berufeneren Personen nicht im Wege sein.“
    „Sie müssen sich doch erst von einem Fachmann untersuchen lassen, ob Sie transportabel sind!“
    „Transportabel?“ lachte er. „Das klingt ja genauso, als ob ich per Siechenkorb oder Krankenbahre von hier fortgetragen werden solle! Nein, so gefährlich ist es denn doch wohl nicht. Ich werde recht gut nach Hause gehen können.“
    „Das warten wir ab! So! Jetzt bin ich fertig. Hoffentlich hält der Verband. Ziehen Sie den Rock wieder an und dann setzen Sie sich hübsch hier auf das Sofa, und da bleiben Sie ganz ruhig sitzen!“
    „Gnädiges Fräulein, ich bin von diesem Sofasitzen gar kein großer Freund!“
    „Das geht mich nichts an. Bis ein anderer kommt, bin ich Ihr Arzt, und Sie haben mir zu gehorchen!“
    „Sapperment, sind Sie ein scharfer Kommandeur! Na, gnade Gott dem, dessen Ehefeldwebel Sie einmal werden! Er ist zu bedauern!“
    „Hoffentlich aber wird er sich dabei wohl befinden.“
    „Hm, ja! Für manchen ist scharfes Pflaster gut! Ich aber liebe das nicht. Horch! Da scheinen die Kriegshelden aus dem Dorf zu kommen.“
    Er wollte auf und fort. Ellen hielt ihn fest und sagte:
    „Halt! Hier geblieben! Wenn Sie nicht sitzen bleiben, diktiere ich Ihnen vierzehn Tage strengen Arrest!“
    „Wohl gar auf Latten und bei Wasser und Brot?“ fragte er.
    „Ja, gewiß!“
    Als Hilda sah, daß er sich doch nicht wieder setzte, legte sie ihm das Händchen auf den Arm und sagte bittend:
    „Herr Oberleutnant, bleiben Sie hier! Wollen Sie auch auf mich nicht hören?“
    Da ging es wie heller Sonnenschein über sein Gesicht und seine sonst schnarrende Stimme klang ganz außerordentlich mild:
    „All mein Leben lang möchte ich einzig nur auf Sie hören, auf Sie und keine andere! Aber hier ruft die Pflicht. Sie wissen nicht, was in solchen Fällen getan werden muß. Ich muß hinab, wirklich, wirklich!“
    Und damit war er schon zur Tür hinaus. Die beiden Damen hörten seine laute, befehlende Stimme unten erschallen; darauf ertönten feste Männerschritte in den Korridoren und dann, erst nach einer längeren Weile kam er wieder zu ihnen zurück.
    „So“, sagte er. „Jetzt habe ich meine Pflicht getan. Es werden alle Türen, Gänge und Fenster bewacht. Nun kann nichts Gesetzwidriges geschehen, und ich will Ihnen Gehorsam leisten und hier auf dem Sofa Massenquartier nehmen. Wissen Sie, was das heißt?“
    „In diesem Fall nicht“, antwortete Ellen.
    „Nun, Massenquartier ist das Gegenteil von Einzelquartier. Ich will nicht allein auf dem Sofa sitzen, sondern Sie sollen sich neben mich plazieren, die eine rechts und die andere links. Dann können Sie

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