65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
Zeit noch nicht sprechen. Nur nach und nach darf die eine und andere Bemerkung fallen, ganz je nachdem ihr Geist erstarkt. Darum soll sie auch nicht mit Bekannten verkehren, und darum darf selbst ihr Sohn so wenig wie möglich kommen.“
„Aber wenn sie nach mir verlangt?“ fragte Fels.
„So lasse ich Sie holen, wenn ich es für notwendig halte. Im übrigen aber können Sie mir ja vertrauen.“
Fels entfernte sich mit Marie. Beide hatten sich so viel zu sagen, und beide fühlten sich so glücklich wie noch nie in ihrem Leben.
Der Fürst war noch für einige Minuten zurückgeblieben. Er gedachte des jetzt nächstliegenden.
„Ich dachte nicht, daß zwischen dem Gerichtsamt und jetzt eine so lange Zeit vergehen wird. Jetzt werden Sie sich mit dem Blutwasser zu beschäftigen haben?“
„Natürlich! Ich darf nicht länger säumen.“
„Sollte sich Ihr Verdacht bewähren, so bitte ich Sie, dem Staatsanwalt einen Boten zu senden, damit ja keine Vorsichtsmaßregel außer acht gesetzt werde.“
DRITTES KAPITEL
Tote stehen auf
Nun verabschiedete er sich; aber er fuhr noch nicht nach Hause, sondern zunächst zu einem Herrn, bei dem er noch nicht gewesen war, nämlich zum Direktor des Residenztheaters, welcher sich nicht wenig überrascht fühlte, als ihm die Karte des vornehmen Herrn gebracht wurde.
Er eilte ihm entgegen ins Vorzimmer und führte ihn selbst herein, um ihm unter tiefen Verbeugungen und rednerischen Höflichkeiten einen Stuhl anzubieten.
„Ich habe im heutigen Blatt“, begann der Fürst, „eine Bemerkung gelesen, welche mich sehr interessiert. Ist es wahr, daß Ihr Kassierer sich gewisse Unregelmäßigkeiten erlaubt hat?“
„Leider ja.“
„Ist es schlimm?“
„Das Manko ist ziemlich bedeutend. Wir haben den Mann entlassen und unter Anklage stellen müssen.“
„Ist seine Stelle besetzt?“
„Noch nicht. Wir befinden uns in Verlegenheit. Bewerber wird es genug geben.“
„Das ist gewiß. Ich bin gekommen, Ihnen einen Mann zu empfehlen. Das wird Ihnen befremdlich erscheinen, da ich weder zu Ihnen noch zu Ihrem Bühneninstitut in Beziehung stehe; aber der Mann ist es wert, daß er berücksichtigt wird. Man hat vieles gut an ihm zu machen.“
„Meinerseits soll Ihre Empfehlung ganz gewiß berücksichtigt werden. Darf ich den Namen hören?“
„Der frühere Theaterdiener Werner.“
„Der? Ach so! Hm!“
Er fuhr sich mit der Hand verlegen über die Stirn.
„Der Vorschlag gefällt Ihnen nicht?“ fragte des Fürst.
„Oh, mir wäre er grad sehr sympathisch. Ich bin mit Werner stets zufrieden gewesen; ich darf sogar sagen, daß ich es bin, der ihn so lange noch gehalten hat. Alle anderen waren diesem braven Mann ganz unbegreiflicherweise feindselig gesinnt. Aber leider, leider –“
„Sie meinen?“
„Ich bin es nicht, der diese Stelle allein zu vergeben hat.“
„Wer noch?“
„Der Herr Intendant.“
„Der wohl schwerlich.“
„O bitte! Grad der Herr Intendant ist es, welcher zu bestimmen hat. Ich habe nur die Vorschläge zu machen.«
„So will ich Ihnen mitteilen, daß dieser Herr nur noch heute abend Intendant sein wird.“
„Das dürfte unmöglich sein.“
„Es ist nicht nur möglich, sondern sogar wirklich. Sie kennen das Verhalten dieses ehrenwerten Herrn zu Werner und dessen Tochter?“
„Ich hörte davon sprechen.“
„Nun, der Herr Intendant hat seinem Bruder, dem Zirkusdirektor, das Mädchen in die Hände gespielt. Es ist hier auf der Bühne die Probe abgehalten worden, ob Emilie Werner zur Tau-ma paßt. Der Zirkusmann hat endlich gestanden, und so wird man morgen, ja sogar vielmehr heute abend noch den Herrn Intendanten hinter Schloß und Riegel bringen.“
„Ihn? Arretieren?“
„Gewiß.“
„Bei seiner Stellung, seinem Einfluß? Unglaublich!“
„Ich sage es Ihnen, folglich ist es wahr. Es werden noch andere Herren zu dieser Suppe geladen sein. Der Ballettmeister, der Musikdirektor, der Chef der Beifallsklatscher, sie alle haben mehr oder weniger Werg am Rock. Die Behörde ist geneigt, diese Angelegenheit sehr ernst zu nehmen. Es ist da viel alter und neuer Schmutz aufgewirbelt worden von Käuflichkeit und anderen verbotenen Dingen. Daran ist die Leda schuld.“
„Ich war der einzige gegen sie.“
„Ich weiß, daß Sie für die Amerikanerin waren. Darum mache ich Ihnen diese vertrauliche Mitteilung, indem ich weiß, daß Sie diskret sein werden. Sie sehen also ein, daß die Bestimmung über den Kassierer nur in Ihren Händen
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