65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
und sagte:
„Ich möchte nur eigentlich wissen, was er hat und was er meint. Wenn ich nur diesmal aus ihm klug würde!“
„Ja, du wirst nicht klug. Dir geht es wie der Siebzehnten.“
„Was ist's denn mit der?“
„Die ist ein altes, gutes Schaaf.“
„Jetzt wird mir es doch zu toll! Eine Siebzehnte hat er, eine Dreizehnte, eine Neunzehnte! Wieviel hast du ihrer denn eigentlich?“
„Sechsundzwanzig. Die Sechsundzwanzigste hat einen großen Kopf. Das ist die letzte, und nachher geht erst der wahre Jakob los, nämlich das ‚Dreimal vivat hoch!‘ Ich freue mich königlich darauf!“
„Das soll nun ein Mensch verstehen! Wo hast du denn diese Sechsundzwanzig alle stecken?“
„Geheimnis!“
„Sind es denn etwa gar Kebsweiber von dir?“
„Fällt mir ja gar nicht ein. Sie sind zu schlecht dazu.“
Da trat sie auf ihn zu, legte ihm die Hände auf die Achseln und sagte:
„Alter, jetzt tu mir nur das einzige Mal den Gefallen, und sage mir aufrichtig, wer diese Sechsundzwanzig sind!“
„Na, Weiber sind es.“
„Wo denn?“
„Überall.“
Da trat sie wieder zurück und rief ganz verzweifelt aus:
„Es ist richtig! Er wird verrückt, und auch ich verliere dabei noch den Verstand. Ich muß ganz sicher noch zum Doktor schicken! Gott, Gott, was soll aus dieser Hochzeit werden!“
„Eine flotte Kindtaufe! Was diesem Mann einfällt! Lauter dumme Gedanken hat er. Wie soll das enden!“
„Gut, außerordentlich gut!“ antwortete er schmunzelnd. „Ich werde heute Ruhm ernten, Ruhm und Lorbeerblätter. Weißt du, Alte, daß die Dichter Lorbeerblätter ernten?“
„Was gehn mich denn die Dichter an!“
„Oh, heute gehen sie dich sehr viel an! Ich habe einmal gehört, was die Dichter bekommen. Sie bekommen auf ihren Kopf und auf ihren Leichenstein einen Kranz von Lorbeerblättern, vielleicht auch von Pfefferkörnern, denn die gehören ja wohl dazu, wie du als Köchin wissen wirst.“
Sie wandte sich zu dem Försterburschen, deutete auf ihren Mann und dann mit dem Zeigefinger nach ihrer Stirn. Der Förster aber lachte darüber und sagte:
„Jetzt mach, daß du fertig wirst! Wir haben nur noch zehn Minuten Zeit.“
„Gleich, gleich! Ich will nur noch die Haube aufsetzen. Die ist auch zu altmodisch. Zu einer Hochzeit braucht man eigentlich einen Hut, wenn man nobel sein will. Aber den wirft es für mich ja gar nicht ab.“
„Da bist du gradso wie die Zwanzigste.“
„Was ist's denn mit der?“
„Die braucht stets einen neuen Hut.“
„Du lieber Gott! Da hat man es wieder! Es hört bei ihm gar nicht auf! Die Dummheiten haben kein Ende! Wir wollen nur machen, daß wir fortkommen. Vielleicht kommt er dann auf andere Gedanken!“
Sie band die Haube fest und nahm die gelbe, rot geblümte Saloppe um. Dann brachen sie nach dem Dorf auf.
Die gute Frau Barbara machte, indem sie so nebeneinander herschritten, ein gar bedenkliches, sorgenvolles Gesicht und schielte zuweilen forschend zu ihm hinüber. Er aber guckte gar lustig und wohlgemut in die Welt hinein und brummte dabei allerlei leise vor sich hin. Sie horchte scharf auf und dabei vernahm sie allerlei dummes Zeug, wie:
„Trittst die Schuhe alle schief – Hosenknopf anflicken – zerrissene Strümpfe – Stiefel wichsen!“
Sie hatte große, große Sorgen; aber sie hielt es für das beste, nichts mehr zu sagen.
So erreichten sie das Haus, in welchem früher Seidelmanns gewohnt hatten. Es gehörte jetzt dem braven Eduard Hauser, welchem der Fürst das nötige Geld, es zu kaufen, gegen mäßige Zinsen vorgeschossen hatten. Eduard hatte das Geschäft der Seidelmanns an sich gezogen und fortgesetzt. Auch die dazu nötigen Mittel hatte er vom Fürsten erhalten. Das Glück war ihm hold gewesen. Er bekam Aufträge und immer wieder Aufträge. Er bezahlte seine Arbeiter gut und war ehrlich gegen sie, indem er wohl wußte, wie es ihm selbst gegangen war. Deshalb arbeiteten sie mit Lust und Liebe für ihn, und die Ware, welche sie lieferten, war stets tadellos. So kam er in einen guten Ruf und konnte kaum genug schaffen; die Weber aber, welche noch vor wenigen Monaten am Hungertuch genagt hatten, erfreuten sich eines guten Verdienstes und blickten einer ganz anderen Zukunft entgegen, als die Vergangenheit gewesen war. Sogar das Äußere der kleinen Häuschen hatten bereits ein anderes Aussehen gewonnen; es zeigte von dem beginnenden Wohlstand seiner Bewohner.
Hofmann, der Vater Angelikas, hatte längst eingesehen, wie unrecht er früher
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