65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
wo Sie mich trafen? Ich hatte den Holzdieb machen wollen.“
„Na, na, so schlimm ist es denn doch nicht! Sie waren ja selbst schon davon abgekommen.“
„Ja; aber Sie nahmen mich mit zu sich und gaben mir Brot, Holz und Kohlen. Dadurch wurden wir gerettet.“
„Na, das verstand sich ja von selbst. Wir wollen davon gar kein Aufhebens machen.“
„Aber von jenem Zusammentreffen im Wald fing sich mein Glück an. Sie wissen doch, wen wir trafen, als wir in die Försterei kamen?“
„Ja, der Für – ich meine den Vetter Arndt, der damals aus Amerika kam.“
„Er schenkte mir Geld und – na, ich brauche weiter gar nichts zu sagen, als daß Sie schuld an meinem Glück sind, und da habe ich jetzt eine Bitte oder vielmehr gleich zwei, denn die zweite fällt mir auch mit ein.“
„So bitten Sie einmal zu!“
„Erstens haben Sie mich stets du genannt, und jetzt, da es mir besser geht, sagen Sie ‚Sie‘ zu mir. Lassen Sie es beim alten. Sie tun mir damit einen großen Gefallen.“
„Hm! Das ist nun auch wieder ein Beweis, daß Sie ein braver Kerl sind. Ich will darauf eingehen, doch unter der Bedingung: Gleiche Narren, gleiche Kappen, das heißt, Sie müssen auch du zu mir sagen, sonst sage ich lieber Sie zu dir und du Sie oder auch Sie du zu mir, denn du bist reicher als ich, und darum ist es das richtige, daß Sie mich du nennen, und ich dich Sie; denn Ihr du ist traulich und mein Sie ist höflich, und darum ist es ein großer Unterschied, ob ich du zu Ihnen oder Sie zu dir und hingegen Sie du oder du Sie zu mir sagen. Dein Sie also oder Ihr du muß sich mit meinem du oder Sie – nein, Sie oder du – du, Sie – Ihnen, mich – Donnerwetter, ich finde mich aus diesem Quatsch gar nicht wieder heraus. Wollen es kurz machen. Her mit deiner Patsche, mein Junge. Also Brüderschaft auf Leben und Sterben. Betrinken tun wir sie nachher!“
„Gut! Und nun die zweite Bitte! Da wir dir unser Glück zu verdanken haben, so sollst du heute an unserem Ehrentag mit deiner guten Barbara die beiden Ehrenämter erhalten.“
„Was denn? Du meinst doch nicht etwa, daß ich der Brautführer sein soll?“
„Gerade das meine ich.“
„Himmelelement! Der alte Förster Wunderlich Brautführer! Wie wird sich der Kerl dabei ausnehmen! Was für eine Figur wird er spielen!“
„Eine sehr ehrwürdige, das versichere ich dir!“
„Und meine Barbara soll auch mittun?“
„Natürlich!“
„Aber das geht ja gar nicht!“
„Warum denn nicht?“
„Da müßte man sich ganz anders in Wichs geworfen haben!“
„Du hast doch deine beste Uniform an!“
„Ja, und den guten Hirschfänger; das ist wahr. Aber meine Alte müßte ein seidenes Kleid haben.“
„Das laß dir nur nicht weismachen. Die ist ja so aufgedonnert, daß es eine Art hat.“
Der Förster antwortete schmunzelnd, indem er wohlgefällig nach seiner Barbara hinüberschielte:
„Hm, ja, sie geht noch! Die Alte hat sich außerordentlich gut erhalten. Sie hat Backen, so rot wie die Äpfel, und die Augen sind so schwarz und frisch wie die Herzkirschen. Das möchte sein; aber wir müßten da doch noch anderes haben, nämlich bunte Bänder von der Achsel herunterhängen und ein paar mächtige Blumenbüsche in der Hand.“
„Dafür ist gesorgt. Ich habe jetzt keine Zeit mehr. Sage es deinem Bärbchen. Ich hole jetzt das Engelchen, und da bringen wir die Bänder und Sträuße gleich mit.“
Als der Förster seiner Frau diese Nachricht brachte, schlug sie in freudigem Schreck die Hände zusammen und rief:
„Nein, so eine Ehre! Alter, wer hätte das gedacht!“
„Ja, ich nicht!“
„Ich auch nicht! Der Eduard ist doch ein herzensguter, braver Kerl. Aber ich habe doch Sorge!“
„Unsinn! Warum willst du Sorge haben?“
„Dir ist jetzt gar nicht zu trauen! Wenn du die Braut führst, bist du imstande, von der anzufangen, welche kratzt und beißt, oder von der, die alle Flaschen zerdeppert.“
„Fällt mir nicht ein! Mache nur du keine Dummheiten!“
„Wohl nicht. Wenn nur mein Staat besser wäre!“
„Na, der ist gut genug. Gott sieht das Herz an und der Eduard hat auch gesagt, daß alles gut ist.“
„Wird denn die Haube gehen?“
„Na und wie!“
„Und das Kleid?“
„Ganz gut.“
„Und – und – ich sollte doch ein Paar gute Zeugstiefeletten haben. Das wäre fein!“
„Das laß nur sein. Deine Knöchelschuhe sind gut. Du bist ja nicht die Achte.“
„Was ist denn nun wieder mit der Achten?“
„Die tritt die Schuhe alle
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