66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
nicht?“
„Nein.“
„Ich lauf doch bereits seit ehegestern in der ganzen Gegend umher, um die Gäst zusammenzubitten.“
„Wozu?“
„Auch das weißt noch nicht?“
„Das ist ja dasselbige, was ich soeben nicht wußt!“
„Ach so! Nun, so kann ich dir's sagen; aber vorher gib mir einen Schnaps. Meine Zungen liegt mir im Maul wie der Stahl in einer Plattglocken. Dieses Reden, und dieses Erklären! Jetzt in unserer Zeiten sind die Menschheitskinder gar nimmer so hell im Kopf als wie ehedem. Damals brauchte man nur A zu sagen, da wußten sie sogleich, daß dies ein Buchstab ist. Jetzt aber, wann ich zwei geschlagene Stunden in einem Atem fort gesprochen hab und mich nun freu, daß ich endlich fertig bin, da sperren s' die Mäulers auf und fragen mich, weshalb ich eigentlich kommen bin. Ich sag's immer, die Menschheit geht weiter und weiter zurück. Dabei wird's Gehirn kleiner und der Magen –“
„Hast recht!“ unterbrach ihn der Wirt. „Jetzt hast auch schon bereits fünf Minuten geredet, und ich weiß noch immer nicht, weshalb du Umgang hast.“
Der Mann blickte ihn ganz erstaunt an und fragte:
„Hast schon bereits wieder vergessen?“
„Hast's mir etwa schon gesagt?“
„Freilich, wohl zwei oder dreimal schon. Mein Geschäft bringt's doch mit sich, daß ich aufpaß und daß ich höflich bin. Wann ich also gefragt werd, so ist auch sogleich die schnelle Antworten da. So kennst mich doch bereits allezeit. Nicht?“
„Nein. Ich kenn dich nur so: Wann ich dich nach Tabak frag, so antwortest von Zwetzschchen oder Pomeranzen, und wann ich etwas vom Wettern wissen will, so fängst an, von Tint zu sprechen, von Kattun, von Ofengabeln und Ziegenböcken.“
Der Leichenbitter schlug die Hände zusammen und rief:
„Herr Jerum noch einmal! Geht's jetzt einem schlecht, wann man ehrlich ist und sich fein rechtschaffen durch die Welt schlagen will! Nur schlechtgemacht wird man und verschumpfen und verniest und verschnupft. Wie aber sind die andern Leut? Da gibt's keinen Glauben mehr und kein Vertrauen. Da macht die liebe Sonnen das Wettern nicht mehr richtig, und wann man Mehl kauft, da ist's verfälscht, und Kalken ist im Zuckern. Da ist einer über den andern hinein, und selbst kein Adverkate kann da mehr helfen. Die Ofen rauchen in die Stub, und in der Wursten sind Krichiners. Und nachher, wann man fast gegen sechzig Jahr alt worden ist, erhält man nicht mal einen Schnaps, wann man ihn bestellt hat und auch zahlen will.“
„Geht das auf mich?“
„Ja freilich! Auf wen sonst?“
„Dort steht die Flaschen. Schenk dir selber ein! Dabei kannst uns nun endlich sagen, für wen du heuten in der Stadt umherläufst.“
„Das hab ich doch soeben zum dritten Mal gesagt!“
„So? Jetzt laß mich aus. Wann du etwa denkst, ich hab lange Zeit für dich übrig, so werf ich dich hinaus! Ist's denn eine Hochzeiten oder ein Leichenschmaus?“
„Keins von beiden, obgleich auch beim Schweineschlachten viel gegessen wird. Kaum hat man's den Leuteln gesagt, so kommen s' schnell gelaufen und fressen einem das beste Stücken vom Wellfleisch hinweg. Nachher, wann die beiden nicht gut für 'nander passen und sich nur von wegen der Talers geheirat haben, gibt's eine schlechte Ehen. Auch kommt die Cholera dazu, der Kühfuß und die Tümpherümdiß. Wie können da die Kinder gut geraten! Sie werden allesamt verzogen, und dann heißt's, die Hebammen ist schuld daran. Aber ich will nimmer klagen und die Sach so kurz wie möglich machen. Zwar soll ich dich nicht einladen, Skat-Matthes, aber es wird dich doch auch verinteressieren, von wegen der Talmühlen – – –“
„Gott sei Dank!“ rief der Wirt, „endlich weiß man's nun doch, daß sich's um die Talmühlen handelt!“
„Das hättst bereits lange wissen können, wannst besser aufpaßt hättst! Wann du nicht gut hörst, so gewöhn dir's Schnupfen an! Eine Priesen Lotzbeck oder Schneebergern Augentobakken tut da Wundern. Das Schnupfen öffnet die Nasen und gibt dem Verstand den richtigen Kraft und Saft. Gegen vierzig Personen werden's sein, Männer und Weiber. Auch vornehme sind dabei, die mir vor lauter Freud gleich einen Talern geschenkt haben, und passen tut das Paar zusammen; das muß man sagen. Die letzte im vorigen Jahr wog fast über zwei Zentner; das sind zehn Stein oder zweihundert Pfund. Schmeer hatte sie grad wie ein Ochs, und gefressen hat sie bis zum letzten Augenblick. Aber so ist's, man weiß nicht, ob man morgen noch unter den Lebendigen
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