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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Unter vier Augen mochte er wohl einmal gern mit dem originellen Wurzelsepp beisammen sein; aber mit ihm durch die Stadt gehen, das hielt er doch nicht für sehr geraten. Also ging er geradeaus, und der Alte schlug einen schmalen Pfad ein, welcher lang hinter diesem Teil des Badeorts hinführte.
    „Jetzt nun bin ich neugierig“, murmelte er in den Bart, „was die Leni für ein fein Gewanderl anhaben wird, wann sie aus dem Wagen steigt. Freilich muß sie sich nun kleiden wie eine richtige neumodische Mademosellen, so ein lang Kleid von Seiden mit einem Schlamperl daran, was hinterher die Zigarrenstummerln auf den Straßen zusammenfegen tut, nachher einen Sammethut mit einem Vogel drauf oder mit einer toten Katzen aus Amerika; daran kommt dann so ein Schmachtlapperl, was sie den Schleiern heißen, in der einen Hand ein Sonnen-Parumblüh mit Quasterln und Spitzerin dran herum, und in der andern Hand das weiße Schneutztucherl, was man so hübsch hin und her schlenkert. Und große Schritten darf sie auch nicht machen, wie wann unsereiner über den Graben springt, sondern sie muß so zimperlich hipperln und tripperln, wie wann s' lauter Ameisen zwischen denen Fußzeherln hätt. Na, ich bin begierig, ob s' mich dann auch noch kennt und anschaut, besonders wann so vornehme Herren dabei sind, der Musikmeistern und der Musikdirektorn!“
    Und stehenbleibend und sich mit der Faust vor den Kopf schlagend, fuhr er laut fort:
    „Was? Wurzelsepp, was bist doch für ein Halunken und schlechter Kerlen! Du meinst, daß die Leni dich nimmer kennen wird? Soll ich dir selber eine Watschen hineinhauen, daß du ein Purzelbaumerl fliegst von hier bis ins österreicherl hinein. Die Leni ist ein braves Dirndl; die verleugnet den Sepp nicht, und wann selbst der König dabeisteht und der Großmogul und der Reichstagslasker und der Eugen Richter mitsamt dem Fürsten Windischgrätz! Die, wann sie aussteigt und sieht mich dabeistehen, so schaut sie die vornehmen Schlankerln gar nimmer an, sondern die wirft von Freud den Sammethut in die Lüften, macht einen Jauchzersprung und fällt mir um den Hals, daß ich gleich denk, ich hab in deren Braunschweigischer Lotterien die Fünfmalhunderttausend gewonnen. Nachher –“
    Er war mit beschleunigtem Schritte wieder weitergegangen, blieb aber jetzt abermals und plötzlich stehen, hielt mitten in seiner Rede inne und starrte nach einer nahe liegenden Gartenecke.
    Dort kam zwischen zwei Häusern ein schmaler Steig heraus, welcher auf den Weg mündete, den der Sepp eingeschlagen hatte. Auf diesem Steig war jemand herbeigekommen und beim Anblick des Alten dort an der Zaunecke ganz ebenso freudig überrascht wie er stehengeblieben.
    „O Jerum Postum Natum, ich weiß nix mehr vom Datum!“ rief er aus. „Ist's wahr? Bist's oder bist's nicht?“
    „Ich bin's halt schon!“
    „Leni!“
    „Sepp!“
    „Mein liebs Lenerl!“
    „Mein alts, gutes Paterl! Komm her! Ich muß dich umarmen und dir vor lauter Freunden ein Busserl geben!“
    Sie breitete die Arme aus und kam auf ihn zu. Er aber hielt ihr die ausgespreizten zehn Finger entgegen und rief abwehrend:
    „Halt! Nicht so schnell! Erst muß ich mir das Maul abwischen, eh mich so ein saubers Vögerln anbeißen darf. Weißt, ich hab auch meine Lebensart gelernt!“
    Er wischte sich einigemal mit dem Ärmel so derb über den grauen Schnurrbart, als ob dort einige Frühbeete hinwegzuräumen seien.
    „So, jetzt ist's appetitlich. Nun schmatz drauflos!“
    Sie lachte hell und munter auf, schlang die Arme um seinen Hals und gab ihm einen – zwei – drei schallende Küsse.
    „Da, Sepp, hast dein Willkommen! Schau, so sehr freu ich mich, daß ich dich seh!“
    Er leckte sich die Lippen ab, als ob er Honig gegessen habe, und meinte schmunzelnd:
    „Ja, so was laß ich mir schon gefallen. Wann's allemal so wär, so lief ich halt gleich jetzt wiederum fort, um in einer Viertelstunden wieder so ein Willkommen zu halten. Aber, du Wetterhexen, was tust eigentlich hier hinter den Häusern? Willst etwa Sperlingen fangen?“
    „Ja!“ lachte sie.
    „Oho!“
    „Aber nur einen einzigen.“
    „Bist doch gespaßig!“
    „Und zwar einen recht alten und grauen.“
    „So mach schnell, daß du ihn auch erwischst!“
    „Ich hab ihn schon!“
    Dabei hielt sie ihn an seiner alten Joppe fest.
    „Potz Flammri! Meinst wohl gar mich?“
    „Ja doch!“
    „Nun, so hast recht. So ein alter, grauer Spatzen und Matzen bin ich schon freilich. Also mich hast fangen wollen?

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