66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
ist, und wäre der Bahnzug damals nicht vom Damm heruntergefahren, so lebte mancher noch. Schließlich kam der Hirnschlag dazu und er wurde in erster Klassen begraben, mit Glockengeläut und einem Gesangsbuchsliedl unterwegs. Die älteste Tochter hat sich scheiden lassen von wegen böswilliger Verlassung der ehelichen Familienhindernissen, und nachher paßt doch keiner so gut zur Paula wie der Fingerl-Franz. Zehnmal und zwanzigmal ist der Alte bereits Gevattern gewesen; da zieht er allemal die Kalblederstiefeln an mit den lackierten Spitzen – – –“
„Und du bist ein lackierter Affen!“ unterbrach ihn der Wirt lachend. „Jetzt hast geschwatzt und geschwatzt, und nur so ganz nebenbei kann's man herausriechen, daß du vom Fingerl-Franz und von der Paula redest!“
Der Hochzeitsbitter machte ein ganz und gar unbeschreibliches Gesicht, legte den Regenschirm und den Hut weg, welche beide er bisher in den Händen behalten hatte, holte tief, tief Atem und sagte:
„Wie? Was? So nebenbei riechst's heraus. Jetzt hab ich mir schon das Maul lahm geredet, und kein einziger Mensch hat richtig drauf gehört! Natürlich red' ich von den beiden! Wannst das nicht weißt, so bist taub und auch blind dazu. Er sitzt ja selber da, der Fingerl-Franz, der Verlobungsbräutigamerl, da grad neben dir! Ist das nicht genug?“
Alle lachten, und der Wurzelsepp stand auf, um zu gehen. Er hatte seinen Zweck erreicht und fühlte keine Lust, die ferneren Reden des Leichenbitters mit anzuhören.
„Also heut abend“, sagte Franz zu ihm. „Deine Zechen bezahl ich. Kommst doch auch mit her?“
„Ich weiß noch nicht, glaub's auch kaum. Den Rat hab ich geben; weiter bin ich nimmer nötig. Besser ist's allemal, wann ich nicht mit da bin. Aber ich werd dich morgen aufsuchen, da kannst mir mal das Schweinerl zeigen, das man bei dir ausbrochen hat.“
„Oh, einbrochen ist niemand; das war gar nicht notwendig. Die Sau war nicht bei den andern im großen Stall, sondern sie steckte ganz hinten im letzten Koben am Garten. Da war früh der Holzriegel von der Türen zurückgeschoben und das Vieh verschwunden. Die Spitzbübin hatte sich gar keine Mühen zu geben braucht.“
Der Wurzelsepp ging. Er wollte den Fex aufsuchen, um sich nun mit ihm zu besprechen. Da er den gewöhnlichen Weg bereits herzu gegangen war, schlug er diesesmal einen andern ein, welcher durch die Felder führte und um das Dorf herumging. Nach einiger Zeit war es ihm, als ob er etwas gehört habe. Er blieb stehen und lauschte. Richtig! Da von rechts herüber klang es wie ein tiefes, wohlgefälliges Grunzen. Er schritt auf den Ort zu, von welchem die Töne kamen.
Mitten in einem großen Feld, welches im vorigen Jahr mit Rüben bepflanzt worden war, hatte man eine sogenannte Miete errichtet, um diejenigen Rüben, für welche der Besitzer im Haus keinen Platz gehabt hatte, im Freien über dem Winter aufzubewahren. Die Rüben waren aufgeschichtet und wohl einen halben Meter hoch mit Erde zugedeckt worden. Und da drin in diesem Haufen stak – ein Schwein, welches sich tief hineingewühlt hatte und behaglich grunzend von den saftigen Rüben futterte. Keine Spur von einem Strick oder einer sonstigen Fessel. Es war klar: dieses Tier gehörte dem Fingerl-Franz. Es war nicht gestohlen worden, sondern einfach entkommen. Vielleicht hatte der Knecht oder die Magd beim Abendfüttern vergessen, die Stalltür richtig zu verschließen; das Tier war fortgelaufen, hatte zufälligerweise die Miete gefunden und sich in diesen reich gedeckten Tisch tief hineingefressen. Jedenfalls fiel es ihm gar nicht ein, diesen Ort sogleich wieder zu verlassen.
„Das laß ich mir gefalln!“ schmunzelte der Sepp. „Nix kann mir besser passen als grad das! Jetzt werden s' glauben müssen, daß ich wirklich hexen kann!“
Er blickte sich um. Kein Mensch war zu sehen. Er zog eine starke Schnur aus seinem Rucksack und schnitt sich mit dem Messer einen Pflock aus einem nahen Busch. Dann kroch er zu dem Schwein hinein, trieb den Pflock mit einem Stein tief in den Boden und band an denselben das Schwein mit einem Hinterfuß fest. Auf diese Weise war das Tier an der Flucht verhindert. Dann ging er weiter, der Mühle zu.
SECHSTES KAPITEL
Die Sängerin
Er hatte dieselbe noch lange nicht erreicht, so sah er den Konzertmeister, welcher ihm entgegenkam und große Eile zu haben schien. Er blieb stehen und zog seinen Hut.
„Grüß Gott, Herr Konzertenmeistern! Verteuxeli, hast's heut notwendig! Mußt wohl gar
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