66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
zu; das bring ich nicht.“
Sie war ihm behilflich, bis er sich vollständig in dem ungewohnten Anzug befand.
„Nun der Hut. Hier. Es ist ein Chapeau claque.“
„Ein Schaboh klack? Was ist denn das?“
„Man kann ihn zusammendrücken. Schau einmal her! So!“
„Donner und Doria! Was seid ihr für Leut! Da kauft ihr euch Hüt die man zusammenquetscht wie einen Kuchenteller. Wozu denn aber doch! Und warum soll ich grad diesen Zylinderhut aufsetzen, diese Angströhre, die gradso ausschaut, als ob ich einen Schornsteinerl auf dem Kopf hätt! Laß mich doch mein Hüterl auftun! Das schaut viel besser und manierlicher aus!“
„Nein; das geht nicht. Ein Kavalier muß unbedingt einen Zylinder tragen.“
„Na, einmal Kavallerier und nie nicht wieder; das sage ich dir! Wann geht's fort?“
„Jetzt gleich. Ich will noch den Mantel umtun und den Hut aufsetzen.“
Sie trat an den Spiegel, um die beiden genannten Stücke anzulegen. Als sie das getan hatte und sich umwendete, mußte sie sich Mühe geben, nicht überlaut aufzulachen. Er stand hinter ihr bereit, den Hut auf dem Kopf und die Reitgerte in der Hand, zugleich aber noch – den Rucksack auf dem Rücken.
„Was soll denn das bedeuten?“ fragte sie.
„Was denn?“
„Der alte Leinwandsack.“
„Das ist mein Rucksack, weißt.“
„Was ist denn drin?“
„Meine Kleidagen und das Käs mit Brot, was mir die Leni geben hat.“
„Und das willst du mitnehmen?“
„Freilich! Meinst etwa, ich hab zu Haus zehntausend Anzüg hangen? Ich bin arm, und da heißt es halt immer:
Mein Herz und dein Herz
Ist ein Klumpen;
Mein Rock und dein Rock
Ist ein Lumpen.
Ich muß den Anzug haben, denn denselbigen hier, den du mir aufgezwungen hast, werd ich gar nicht lang auf den Achseln hangen haben. Ich steck in dem Stehkragerl wie eine Ratte in dem Falleisen und kann fast gar keinen Atem heraufbekommen. Ich will froh sein, wann ich wieder in mein eigenes Zeug schlüpfen darf.“
„Aber den Rucksack darfst du doch nicht mitnehmen. Der paßt unmöglich zu dem feinen Anzug.“
„Aber die Sachen kann ich doch auch nicht hierlassen, weil ich sie notwendig brauchen tu. Wann dir der Rucksack nicht nobel genug ist, so borg mir etwas anderes, eine Truhen oder Laden, eine Kisten oder Kommoden, worin ich die Sachen tu.“
„Und die willst du auch mitnehmen?“
„Natürlich!“
„Wie denn? Wie willst du sie fortbringen?“
„Ich trag sie auf dem Buckel.“
„Eine Kiste oder Kommode?“
„Ja. Meinst wohl, ich hab nicht die Kraft dazu? Da kommst eben schön an! Kannst dich selbst auch noch oben drauf setzen, so trag ich's doch!“
„Herrgott! Was bist du für ein Mensch!“
„Doch wohl ein guter!“
„Ja, aber auch ein unüberlegsamer. Eine Kiste auf dem Rücken sieht ja noch viel schlechter aus als ein Rucksack, verstanden!“
„So gib mir halt etwas anderes, was nobler ist!“
„Gut; ich habe in der gegenüberliegenden Kammer eine Reisetasche, in welche wir die Sachen stecken können.“
„So hole die Taschen, und mach schnell, damit wir endlich fortkommen. Aber schau, was ist das, was du mir hierher gelegt hast?“
„Das ist ein Pincenez.“
„Ein Pengseneh? Habe in meinem ganzen Leben dies Wort noch niemals nicht gehört.“
„Gewöhnlich sagt man, ein Klemmer.“
„Ah, eine Klemmbrillen?“
„Ja.“
„Soll ich sie etwa auch aufsetzen?“
„Natürlich.“
„Was fällt dir ein! Meine Augen sind so gut, daß ich durch zehn Türen schauen kann.“
„Dieser Zwicker gehört für jeden Kavalier.“
„Hol's der Teufel! Ich seh nicht ein, warum ich so eine Nasenquetschen in mein Gesicht klemmen soll.“
„Probier es nur einmal! Sie gehört meinem Vater. Hier an der Schnur wird sie um den Hals gehängt.“
„Auch noch!“
„Ja. So! Jetzt setz sie auf! Du siehst prächtig aus!“
„Ja, wie ein dressierter Pudel, den man die Brillen auf die Nasen steckt und die Tabakspfeifen in die Schnautz. Will doch mal sehen, wie ich ausschau.“
Er trat an die Spiegel.
Kleidete ihn doch der elegante, enge Anzug ganz wunderlich, so sah er mit dem Klemmer in dem wettergebräunten Gesicht nur noch unbeschreiblicher aus. Er starrte eine Zeitlang in den Spiegel, trat hin und zurück, hielt den Kopf nahe an das Glas und dann wieder ferner, dann sagte er:
„Tausend Donner! Jetzt seh ich nun gar nix mehr, nicht einmal mich selbst.“
„Ja, die Brille ist sehr scharf.“
„Dann müßte ich doch auch scharf sehen!“
„Sie paßt nicht für
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