66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
bleibst!“
Der Freiherr fühlte die Faust des Älplers so schwer auf sich ruhen, daß er es für das beste hielt, einstweilen gehorsam zu sein. Er setzte sich also auf den Stuhl und stöhnte ganz verzweifelt:
„Also doch! Es ist der Krickel-Anton! Franza, hast du die Stirn, es zu leugnen?“
„Nein“, antwortete sie. „Ich leugne es nicht. Er ist es.“
„Und du hast ihn vor der Behörde versteckt?“
„Ja, ich habe ihn gerettet.“
„Wo versteckte er sich?“
„Draußen auf dem Dachbalken.“
„Weißt du denn, was das heißt? Du bist dadurch seine Mitschuldige geworden.“
„Ich will es darauf ankommen lassen.“
„Aber, was hast du davon!“
„Was? Es ist das herrlichste Sujet zu meinem neuen Roman, Cousin.“
„Dieses Sujet kann dich ins Zuchthaus bringen!“
„Dann müßtest du mich verraten.“
„Ich muß es. Es ist meine Pflicht!“
„Gut, so gehe hin und melde der Polizei, daß deine Cousine, die Baronesse von Stauffen, sich eines armen, abgehetzten Menschen angenommen hat!“
„Was tue ich! Was tue ich! Franza, du bringst mich in die schrecklichste Verlegenheit!“
„Du befindest dich nicht in der mindesten Verlegenheit. Du brauchst dir nur den Anschein zu geben, daß du gar nichts weißt; dann kann dir gar nichts geschehen.“
„Und was willst du jetzt tun? Was hast du vor?“
„Ich werde den Anton nach Hause bringen.“
„Über die Grenze?“
„Ja.“
„Mädchen! Bist du toll?“
„Es ist ein Roman!“
„Den du mit Freiheit und Ehre zu bezahlen haben kannst! Denke dir, daß deine Schwester krank ist und dein Vater alt –!“
„Eben deshalb. Meine kranke Schwester und mein alter Vater können diesen Verfolgten nicht retten, eben weil sie krank oder alt sind. Übrigens ist der Vater abwesend. Du wirst zum Schutz der Schwester hier bleiben; da kann ihr nichts geschehen. Unterdessen spazieren wir nach der Stadt und nehmen einen Wagen. Kein Mensch wird uns fragen oder gar anhalten. Es ist also gar keine Gefahr für mich vorhanden.“
„Das meinst du jetzt; aber es kann sehr leicht ganz anders kommen, als du denkst.“
„Das warte ich ruhig ab.“
„So wasche ich meine Hände in Unschuld und lege mich schlafen. Ich weiß von nichts.“
Er wollte fort. Aber sein Gesicht schien dem Krickel-Anton nicht zu gefallen, denn dieser sagte:
„Meinst etwa, daß ich dir das glaube? Du wirst dich ins Bett legen! Das fällt dir schon gar nicht ein. Ich seh dir's an der Nasenspitzen an, daß du den Schalk hinter dem Ohrlappen sitzen hast. Nein, es wird anders, als du denkst. Du gehst nicht hinab in deine Stuben, sondern du bleibst hier.“
„Willst du mir etwa Gewalt antun?“ brauste der Freiherr auf.
„Nein, wannst nämlich Verstand annimmst. Warum willst denn hinab?“
„Weil unten mein Bett steht.“
„Hier heroben steht auch eins.“
„Da schläft diese Dame!“
„Die schläft heut gar nicht, also kannst dich ruhig auf das ihrige legen.“
„Das schickt sich nicht. Leider scheinst du davon keinen Begriff zu haben.“
„Ich hab vielleicht viel besseren Begriff als du. So zum Beispiel begreife ich ganz gut, daß du fort willst, um mich ergreifen zu lassen.“
„Wer sagt das?“
„Ich.“
„Da bist du auf sehr verkehrten Gedanken.“
„Wohl nicht. Ich sehe es deinem Fuchsgesicht schon deutlich an, was du im Schilde führst.“
„Mensch, beleidige mich nicht abermals!“
„Tu halt nicht dick!“
„Wenn ich dich verraten wollte, so würde ich doch dieser Dame schaden!“
„Oh, das kannst sehr leicht so einrichten, daß es ihr keinen Schaden bringt. Das begreif ich schon sehr gut. Wenn du nix gegen mich vorhast, so kannst du hier oben bleiben.“
„Das tue ich nicht.“
„Wirst es doch tun. Ich will es, und da muß es auch geschehen.“
„Das wollen wir sehen.“
Er wollte nach der Tür. Anton aber hielt ihm die Faust entgegen und drohte:
„Setz dich auf den Stuhl! Oder soll ich dir Lust machen, mir zu gehorchen? Mit so einem Schlinkelschlankel wird kein großer Summs gemacht! Wir beid gehen, und ich werd die Tür hinter uns verschließen, aber den Schlüsseln steckenlassen. Wann dann die Nachtwandlerin in der Früh erwacht, wird sie kommen und dich herauslassen. Bis dahin aber bleibst hier!“
Der Freiherr sah keinen Ausweg. Er hatte allerdings die Absicht, hinab in das Dorf zu eilen oder einen Posten aufzusuchen. Wenn er die Sache so darstellte, daß Anton die Cousine vergewaltigt habe, so konnte dieser nichts geschehen. Nun
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