66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
Es war, als ob mitten durch finstere Wetterwolken ein heller goldener Sonnenstrahl blitze oder als wenn ein Kind mitten im Weinen aufhört, um, noch tränenden Auges, die Mutter jubelnd anzulachen.
Er ging weiter, langsam, wie von einem Magnet angezogen, nicht nach der Mühle hin, sondern auf die Villa zu. Dort am Fuß der Höhe, auf welcher diese stand, hielt er an.
Das Gesicht, welches er jetzt machte, war nicht zu beschreiben. Er schien vor Entzücken trunken zu sein. Er steckte den linken Arm grad aus, als ob er eine Geige in demselben halte, und fuhr mit der rechten darüber hinweg, als ob er auch Violine spiele.
Jetzt machte der Konzertmeister eine Pause.
Der Fex seufzte tief auf, drehte sich energisch um, als ob es ihm große Überwindung koste, diesen Ort zu verlassen, und ging nach der Mühle.
„Wo steckst denn so ewig?“ brüllte der Müller ihn an, als er in die Stube trat. „Der Knecht hat dich doch getroffen! Warum kommst nicht gleich?“
Er zog die Tür hinter sich zu, blieb stehen und gab keine Antwort.
„Nun, kannst etwa nicht reden?“
Und als er auch jetzt noch schwieg, klatschte ihm die scharfe Schmitze der Peitsche um die nackten Füße. Er zuckte nicht mit der Wimper.
„Komm näher!“ gebot der Müller.
Der Fex ging einige Schritte auf den Polsterstuhl zu und blieb dann wieder stehen.
„Was hast du mit dem Franz gehabt?“
Der Fex sah weder den Franz an noch gab er eine Antwort.
„Willst reden!“
Und als diesem Befehl nicht Folge geleistet wurde; knallte die Peitsche wieder um die Füße. Ein anderer wäre vor Schmerz in die Höhe gesprungen; der Fex aber rührte kein Glied. Es war, als ob er gar kein Gefühl besitze.
„Hast ihn angefallen!“
„Nein.“
Das war das erste Wort, welches er hören ließ.
„Lüg nicht!“
Der Alte gab ihm einen dritten Hieb.
„Er lügt, nicht ich!“
„Weiß schon! Dich kenne ich! Da, sieh mal sein Gesicht an! So hast ihn mit dem Ruder geschlagen.“
Der Delinquent sah weder den Müller noch den Franz an; aber er spuckte verächtlich aus.
„Was! Ausspucken tust! Das will ich mir dich verbitten, du Lodrian und Taugenichts! Und den Arm hast ihm auch entzweigeschlagen! Wann er aufs Amt geht und zeigt dich an, kannst wegen Mordversuchs oder der Verletzung eines lebendigen Körpers zehn Jahre lang eingesperrt werden! Bist wohl nicht bei Sinnen gewest? Was geht's dich an, wann er mit der Paula eine Zärtlichkeiten absolvieren will. Gleich gehst her, und bittst's ihm ab!“
Der Fex bewegte sich nicht.
„Gehst oder nicht?“
Der Fex zuckte ganz leise mit der Achsel.
„Nicht? Gut, hier hast!“
Er holte aus. Die aus einem dreifachen Riemen zusammengeflochtene Peitschenschnur schlang sich für einen Augenblick laut klatschend um das Gesicht des Fex, und dennoch zuckte der Getroffene nicht mit der Wimper. Er sagte nur die Worte:
„Frag die Paula!“
„Meinst, daß sie dich in Schutz nimmt?“
„Sie wird die Wahrheit sagen.“
„Hast ihr wohl schon ein gutes Wort geben, und sie hat versprochen, aus dummer Barmherzigkeit ihren Vater zu belügen? Da habt ihr wohl kein Glück damit. Schäm dich, die Tochter zu verführen, den Vater zu belügen! Aber so ein Biest wie du hat keine Scham und kein Gewissen!“
Der Fex zeigte auf den Franz und sagte:
„Hier sitzt das Biest!“
„Wie? Was?“
Sofort knallte die Peitsche wieder um das Gesicht des Blödsinnigen.
„So! Und wannst noch nicht genug hast, brauchst nur noch ein Wort zu sagen, so bekommst noch mehr! Jetzt will ich dir deine erste Straf geben.“
Er blies die Klarinette, und sofort kam eine Magd hereingeeilt.
„Kathrin, das ihr's wißt, der Fex erhält drei Tage lang nix zu essen und zu trinken. Wasser kann er im Fluß bekommen!“
Sie grinste wohlgefällig mit dem breiten Gesicht und machte schleunigst, daß sie hinauskam, denn das Wetter war ihr hier nicht geheuer.
„Und“, fuhr der Müller fragend fort, „du bist ja ganz naß. Kauf ich dir deshalb Kleider, daß du dich damit im Wasser herumwälzen sollst? Wo hast denn die Fähr gehabt? Sie war doch weg!“
„Dieser hat sie losgebunden und fortschwimmen lassen.“
Sofort klatschte ihm die Peitsche wieder um den Leib, und der Alte schrie ergrimmt:
„Lügen über Lügen! Willst mir die Unwahrheit ins Gesicht hinein streiten! Über dich muß ich mich noch zu Tod verärgern. Mach dich hinaus, daß du mir aus den Augen kommst, du Galgenstrang! Und wann du deine drei Tage gehungert hast, nachher wird die
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