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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sie?“
    „Si, si, ja, ich wollen! Ssehr, ßehr!“
    Er nickte dabei so oft und freudig mit dem Kopf, daß es dem Kapellmeister angst wurde.
    „Schön! Herrlich, herrlich! So bleibt mir nichts zu wünschen übrig! Liszt, der Konzertmeister Antonio Rialti und die Sängerin.“
    „Wie sein ihr Name?“
    „Sie heißt Mureni.“
    „Ich nich kennen dieser Name.“
    „Höchstwahrscheinlich ist es nur ein Künstlername, und sie heißt eigentlich anders. Also Sie haben zugesagt. Könnte ich baldigst erfahren, welche Stücke Sie wählen werden?“
    „Sofort, gleik, all'instante. Kommen Sie!“
    Er stand auf und eilte fort, nach der Villa zu, und der Kapellmeister hinter ihm her. Bald hörte man aus den geöffneten Fenstern der dort befindlichen Wohnung des Konzertmeisters Töne erklingen, wie man sie hier noch niemals gehört hatte, Töne, so süß klagend wie heimliches Liebesflehen, Töne, welche sich neckisch haschten und fingen wie spielende Libellen und Schmetterlinge, Töne, herzzerreißend, klagend wie singende Tränen auf eingesunkenen Grabeshügeln, Töne, zum Tod begeisternd wie Schlachtgesang und Rossewiehern, Töne, dumpf rollend wie Erdbeben, grollend und zürnend wie hohler Donnerschall, Töne, zitternd und bebend wie Hunger und Frost im Menschengebein, Töne, aufjauchzend und jubilierend wie Lerchentriller und Finkenschlag. Ja, der Konzertmeister Antonio Rialti war ein Beherrscher der Violine von Gottes Gnaden!
    Aber, wie war es, Töne, welche man hier noch niemals gehört hatte? Wirklich niemals? Lag nicht da drüben am Fluß, da wo die Felsen an das Wasser stießen, oben auf den Steinen ein kleiner Hügel, auf welchem jetzt noch die letzten Märzviolen und die ersten Maiblumen blühten? Dort, an dieser Stelle war die Zigeunerin gestorben, welche den Fex mit ins Land gebracht hatte. Dort hatte man sie eines Morgens, nachdem sie mehrere Tage lang vermißt worden war, als Leiche gefunden, und niemand konnte sagen, ob die Ursache ihres Todes der Frost oder der Hunger gewesen sei. War sie vielleicht an beiden gestorben und – auch vor Gram?
    Sie war an derselben Stelle eingescharrt worden. Sie, die Zigeunerin, war doch keine Christin, sondern eine Heidin. Man durfte sich nicht an der geweihten Erde versündigen. Und als nachher der Fex, ihr Bub, einst von Weidenruten ein armseliges Kreuz geflochten und auf den Hügel gesteckt hatte, da war man schnell gewesen, es herauszureißen und in das Wasser zu werfen. Das Zeichen des Kreuzes auf ihrem Grabe hätte ja wohl die Qualen ihrer Verdammnis lindern können, und das war die Heidin nicht wert.
    Jahrelang wurde dieses Grab gemieden. Kein Mensch kam in seine Nähe. Es war ein verfluchter Ort. Nur der Fex, der sich nicht von seiner Mutter lossagen wollte, schleppte in seinen Händen fruchtbare Erde hinauf, welche er heimlich im Garten der Mühle gestohlen hatte, und pflanzte Blumen hinein, Hahnenfuß und Löwenzahn, weißen Klee und rotblühende Taubnesseln. Etwas Besseres konnte der arme Knabe nicht beschaffen. Dann aber erbarmte sich die kleine Paula sich seiner. Sie bettelte im Dorf sich Samen und Senker zusammen, für sich, wie sie sagte, aber sie gab alles dem Fex, welcher damit das Grab der – Verdammten schmückte. Und eines Tages, als der neue Herr Kaplan einst am Fluß entlangging und, den Fex droben erblickend, hinaufgestiegen kam und dem Knaben mit milden Worten das Geständnis entlockte, daß hier seine Mutter schlafe, die Heidin, die er aber von der Verdammnis losbeten wolle, da nahm er den Verachteten bei der Hand, führte ihn mit sich in den Pfarrgarten, gab ihm Stecklinge von seinen prächtigen Ayrshirerosen, und als die Leute hörten und nachher die gefüllten Blüten das steinige Grab bedeckten, da stieg doch zuweilen jemand auch hinauf, um die Düfte einzuatmen und dabei zu denken, daß wenn der liebe Gott die Rosen hier blühen lasse, er der Heidin vielleicht wohl einen kleinen, ganz kleinen Teil der ewigen Verdammnis schenken werde.
    Ja, selbst am Abend, wenn der helle Schimmer des Mondes an den Fluß lockte, kam es wohl vor, das einer oder der andere sich in die Nähe des Grabes wagte; aber das hörte sehr bald wieder auf, denn – die Zigeunerin hatte keine Ruhe gefunden; sie ging um, drin im Felsen unter ihrem Grab. Von da heraus klangen geheimnisvolle Töne, fremdartige, herzzerreißende Weisen. Das klagte und wimmerte; das schluchzte und jammerte, als ob da drin Ströme von Tränen flössen. Und dann plötzlich erhob sich ein

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