66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
aber erklärte lachend:
„Es heißt: Ein Furioso von Schicketantz. Schicketantz ist ein Komponist, und Furioso ist ein Stück, welches feurig, rasch oder gar recht wild gespielt werden muß.“
„Das ist dem Schicketantzrich zuzutraun; schon der Name ist ganz wild. Aber nun das allerletzte Stuck. Wann ich auch dieses falsch gelernt hab, so will ich den Kompernisten Abbitt tun im Sack und in der Aschen. Da steht ganz groß und deutlich – oder wart einmal! Sag, trinken die auf der Post etwa viel Lindenblütentee?“
„Warum fragst du das?“
„Weil hier steht, daß sie davon so dumm werden.“
„Das steht nicht da.“
„Willst etwa mit mir streiten?“
„Du irrst dich, Sepp. So etwas kann doch gar nicht da stehen?“
„Nicht? So schau doch mal selbst her! Ist da nicht zu lesen: Die Post ist dumm von Lindenblättern?“
„Nein. Das heißt: Postludium von Lindpaintner. Ein Postludium ist ein Nachspiel, und der Komponist heißt Lindpaintner, der auch am Theater in München Kapellmeister gewesen ist und nachher in Stuttgart.“
„So, so! Jetzt ist's mir im ganzen Kopf dumm, aber nicht von Lindenblättern, sondern von deinen Kompernisten und ihren Noten und Überschriften. Das halt doch der Teuxel aus! Da lob ich mir meine Zithern; die hab ich auswendig gelernt ohne Noten und Kompernisten, und was ich drauf spiel, das kompernier ich mir selber. Jetzt aber muß ich zur Stadt, in die Apothek, wo ich meine Wurzeln verkauf. Heut Abend dann komm ich wieder. Weißt schon, um welche Zeit.“
Er gab die Hand zum Abschied und ging. Der Fex rollte seinen Notenschatz zusammen und sprang in die Fähre. Mit dieser steuerte er abwärts und hing die Kette an den Felsen an, welcher senkrecht aus dem Wasser emporstieg. Sodann zog er unter dem Sitz ein Stück Wachsleinen hervor, in welches er die Noten so sorgfältig einschlug, daß kein Tropfen Wasser hineindringen konnte. Dann sprang er in das Wasser, tauchte unter und kam nicht wieder.
Hätte noch eine Person außer dem Wurzelsepp mit in der Fähre gesessen, so wär es ihr himmelangst um den Fex geworden; sie hätte unbedingt glauben müssen, daß er ertrunken sei.
Drin aber, im Felsen, auf welchem oben das Grab der Zigeunerin lag, ertönten einige dumpfe Schläge, welche sich nach kurzer Zeit wiederholten. Dann tauchte der Fex wieder an die Oberfläche empor und stieg, vom Wasser triefend, wieder in die Fähre, welche er loskettete und aufwärts nach dem Landeplatze ruderte.
Er strich sich die Kleider fest an den Leib, damit das Wasser ablaufen solle. Und kaum war er damit fertig, so hörte er drüben den Ruf:
„Fex, lieber Fex!“
Das war Paulas Stimme. Er ruderte hinüber. Da stand sie am jenseitigen Ufer, ein Eichhörnchen in den Händen.
„Das ist wieder ein Patienterl“, sagte sie, „den ich mit nach Haus nehmen muß, um ihn zu pflegen. Aber, Herrgottle, wie siehst aus?“
Sie machte ein ganz und gar erschrockenes Gesicht, indem sie ihm in das Gesicht blickte. Die beiden Schwielen waren stark angeschwollen.
„Woher hast das?“
„Vom Müller.“
„Er hat dich mit der Peitschen geschlagen?“
„Ja.“
„Wegen was?“
„Wegen dem Fingerl-Franz.“
Da sprang sie eiligst in die Fähre und rief:
„So mach schnell über. Ich werd gleich ein Wort mit dem Vatern reden. Du rettest mich von dem Überfall dieses Schubiak und erhältst als Dank dafür die Peitschen! Das darf ich nicht dulden; das kann ich nicht zugeben!“
„Wart noch, Paula! Der Franz hat dem Müllern alles falsch erzählt. Er hat gesagt, ich hätt ihn hinterrücks angefallen. Darum war der Müller so zornig. Und wann du ihm nun auch sagen wirst, wie es eigentlich war, so wird er dir's doch nicht glauben. Darum ist's besser, du sagst gar nix. Ich will nicht haben, daß du für eine Lügnerin gehalten wirst.“
„Aber ich will nicht haben, daß du geschlagen wirst. Und ich will auch sehen, ob der Vatern dem Franz mehr glaubt als mir. Also fahr über!“
„Ja. Aber da kommt noch einer.“
Den Bergweg herab kam ein junger, kräftiger Mann, welcher einen länglichen Kasten auf dem Rücken trug.
„Grüß Gott!“ sagte er. „Kann ich mit hinüber?“
„Ja, steig ein!“
Der Fex hatte längst seine stupide Miene wieder vorgelegt. Er fragte den Fremden:
„Bist wohl ein Tabulettkramer?“
„Ja. Ich will ins Bad. Da wohnen die Geldleuteln, die gern was kaufen können.“
Drüben angekommen, bezahlte er ein Fünfpfennigstück und schritt dann, unbekümmert um die beiden
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