66095: Thriller (German Edition)
Sie war verwirrt: Dieser unscheinbare, geheimnisvolle Felsbrocken von einem anderen Himmelskörper hatte in bis dahin unbekannter Weise Energie gebündelt – und hätte beinahe ihre gesamte Familie ausgelöscht.
»Die Pistole, Whitney«, ächzte Finnerty. »Vergessen Sie den Stein. Nehmen Sie Ihre Pistole.«
Aber Whitney konnte den Blick nicht von dem Stein abwenden. Jetzt streckte sie die Hand danach aus. Tom stützte sich auf einen Ellbogen. »Whitney, nein. Rühr ihn nicht an«, rief er.
»Hände weg von dem Stein«, brüllte Gregor. »Er gehört mir!«
Whitney sah, wie der Materialwissenschaftler mit unbändiger Wut auf sie losging. Tom versuchte, ihm ein Bein zu stellen, aber Gregor wich geschickt aus. »Ich bringe euch alle um, so wie ich MacPherson umgebracht habe«, schäumte er.
»Mom, pass auf«, schrie Cricket.
Aber Whitney griff nach dem Stein. Gleichzeitig streckte auch Gregor den Arm aus. Whitney hielt den Stein mit beiden Händen fest, und jetzt rissen beide daran – inmitten des erstickenden schwarzen Staubs, der die Höhle erfüllte, lieferten sie sich einen Kampf um den Stein. Cricket beobachtete, wie der Stein Gregors Händen zu entgleiten schien und Whitney versuchte, ihn ganz an sich zu reißen.
»Nein!«, rief Gregor.
Mit aller Kraft stieß er seinen Kopf Whitney ins Gesicht. Whitney schrie auf vor Schmerz, ließ den Stein los und fiel vornüber. Aus Mund und Nase quoll ihr Blut. Gregor brach in ein Triumphgeheul aus und schwang den Stein über seinem Kopf.
Plötzlich stand Cricket das Bild vor Augen, wie Gregor am Fluss ohne Wiederkehr Lyons einen Stein auf den Kopf geschmettert hatte. Er würde nicht zögern, ihre Mutter auf dieselbe Weise zu töten. Da wallte eine Energie in ihr auf, die stärker war als sie selbst – eine Energie, die sie noch nie zuvor wahrgenommen hatte und die alle Fasern ihres Körpers durchströmte. Gleichzeitig sagte ihr ihre innere Stimme, dass sie ihre Mutter retten müsse. Nein, Whitney durfte nicht sterben. Cricket sprang auf. Ihr Knie spürte sie gar nicht mehr. Sie lief ans andere Ende der Grotte.
»Gregor!«, schrie Cricket.
Der Wissenschaftler drehte sich nach ihr um, den Stein noch immer über seinem Kopf schwingend. Sie hatte ihn von ihrer Mutter abgelenkt.
»Cricket! Nein!«, hörte sie ihren Vater rufen.
Aber Cricket war nicht mehr das naive kleine Mädchen, das vor vier Tagen die Höhle betreten hatte. Sie war jetzt ein völlig anderer Mensch, verzehrt und angetrieben von einer geheimnisvollen Kraft. Sie rammte Gregor die Schulter in die Brust.
Ein Rückstoß wie die Schockwelle einer urtümlichen Kraft durchströmte Cricket. Sie hatte das Gefühl, als zerspränge sie in unzählige Einzelteile, die sie mit Gregor an den Rand des schwarzen Spalts am Höhlenboden trugen. Dann verloren sie beide das Gleichgewicht und stürzten in die Dunkelheit.
Auftauchen
19. Juni 2007
11.46 Uhr
Intensivstation
Columbia Southwest Hospital
Louisville, Kentucky
»Lass mich mit Boulter sprechen«, krächzte Finnerty. »Nur einen Augenblick.«
»Auf keinen Fall«, gab seine Frau zurück. »Du bist vor sechs Stunden operiert worden, hattest einen Lungenkollaps, und du hast eine hohe Dosis irgendeiner exotischen Strahlung abbekommen.«
Der US-Marshall für Ostkentucky lag im Bett, umgeben von piepsenden Monitoren. In beiden Armen steckten Infusionsnadeln. Sein Gesicht war aschfahl, er atmete schwer, aber er lächelte. »Man kann nie wissen, Baby. Vielleicht erhöht sich dadurch ja die Anzahl der Spermien.«
Natalie musste unwillkürlich lächeln. »Du bist nur auf das Eine fixiert.«
»Ach, übrigens, Natalie?«, sagte er.
»Ja, Damian?«
»Ich hatte dort unten viel Zeit zum Nachdenken. Was hältst du von einer Adoption?«
Tränen traten ihr in die Augen, und sie ergriff die Hand ihres Mannes. »Werd erst mal wieder gesund, dann sehen wir weiter, in Ordnung?«
»In Ordnung«, erwiderte der Marshall. Dann schloss er die Augen und schlief wieder ein.
Als Finnerty wieder aufwachte, stellte er überrascht fest, dass Boulter an seinem Bett saß. »Hat Natalie dich reingelassen?«
»Ich musste meine ganze Überredungskunst aufbieten«, erwiderte der Polizist.
»Bei mir hat das nie Erfolg«, sagte Finnerty und bewegte sich unruhig im Bett. »Du musst mir deine Tricks verraten.«
»Wie geht’s?«
»Ich hab das Gefühl, als hätte ich einen glühenden Schürhaken in meiner Brust, aber die Ärzte meinen, sie hätten die Lunge wieder in Gang
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