69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen
Instrumentation zehn Jahre lang derklären, so habt ihr nachher doch noch nix kapiert. Es ist ein schwerer Beruf, Musikdirektor zu sein. Das reibt auf und bringt einen ganz vor der Zeit ums Leben. Ich wär bereits schon lange tot, wann ich nicht dazu geboren wäre. Das Schenie und Talent verleiht dem echten Künstler immer neue Kräften.“
Mit diesen Auseinandersetzungen schritt er seinen ‚Herren Kollegen‘ voran nach dem Saal. Ludwig folgte langsam nach, mit ihm seine Mutter.
Die Musikanten wurden mit lautem Jubel begrüßt. Der Herr Direktor gab durch eine ‚noble‘ Handbewegung seine Zufriedenheit zu erkennen und bestieg mit seinem ‚Korps‘ das Orchester.
Dieses bestand aus mehreren leeren Biertonnen, über welche Bretter gelegt waren. Es gab für den Direktor sogar ein Pult, nämlich ein altes Tischgestell ohne Platte, über welches ein hölzerner Kuchendeckel gelegt war. Ein Taktstock lag darauf. Der Direktor hatte ihn selbst aus einer Ofengabel geschmiedet. Die beiden Zinken hatte er gelassen, zu welchem Zweck, das konnte man vor Beginn jeder Tanzmusik sehen.
Nachdem er sich gravitätisch hinter sein Pult gestellt hatte, musterte er mit dem Blick eines Jupiters das Publikum. Dann rief er mit dröhnender Stimme:
„Meine Damen und Herren, Dirndls und Buben, ich bitte um die größte Ruhe und Lautlosigkeiten. Es wird eingestimmt.“
Er zog einen Bindfaden aus der Tasche, befestigte die frühere Ofengabel daran und ließ sie an demselben hin und her schwingen, so daß sie endlich an das eine Bein des Dirigentenpultes schlug. Das gab einen Ton, welcher durch den ganzen Saal zu hören war. Die verflossene Ofengabel diente also als Stimmgabel. Doch hätte weder Beethoven, noch Richard Wagner sagen können, welchen Ton sie eigentlich angab.
„Herr Kollege Frenzel, den Violonbaß will ich hören!“
Der Genannte ergriff den Bogen und fuhr mit demselben kraftvoll über die Saiten. Anstatt eines Tons aber war nur ein ganz unbeschreibliches Quietschen und Fiepen zu vernehmen.
„Was ist denn das?“ rief der Herr Direktor. „Das klingt ja, als hättest Mäuse und auch Ratten drin!“
„Es ist nix drin; aber das Karliphonium fehlt am Bogen. Ich hab's ja schon gesagt!“
„Donnerwetter! So konntest dir doch das Pech gleich jetzunder mit heraufnehmen. Gleich laufst und holst dir's! Es ist eine Schand, wann die verehrten Anwesenden auf den Bassisten warten müssen.“
„Auf dich haben sie auch gewartet!“
„Ich spiel die Klarinetten; das ist was ganz anderes. Lauf schnell, sonst zahlst zwanzig Kreuzer Straf. Ich will deinen Karliphon schon in Ordnung bringen.“
Der Schneider rannte fort, daß die Frackschöße flogen, und alles lachte. Der Schmied bat um Ruhe, ließ die berühmte Stimmgabel wieder erklingen und rief sodann:
„Herr Kollege Wenzel, ich wünsche die deinige Posaunen zu hören.“
Der Schuster setzte das Instrument an, blies die Backen auf, pustete mit aller Gewalt hinein und fuhr nun mit dem Zug so eilig auf und ab, daß es ein ganz unbeschreibliches Getöne und Gewinsel gab.
„Stimmt!“ nickte der Dirigent mit zufriedener Miene. „Du hast noch die ganze Tonleitern drin. Zieh mal ganz aus, und spuck tüchtig hinein! Das gibt der Posaunen gleich einen viel weicheren Ton.“
Der Künstler befolgte diese Aufforderung sofort und mit größtem Eifer. Indessen kehrte der Schneider zurück. Er hatt ein drei Pfund schweres Stück Faßpech in der Hand, aus welchem er zuerst den Bogen und sodann alle vier Saiten so kräftig einrieb, daß der Staub aufflog. Sodann gab auch er die Stimmung an. Der Direktor erklärte sich mit derselben einverstanden und rief nun über den Saal hinüber:
„Jetzund kann's beginnen. Ein Walzer, die ‚gelbe Donau‘ genannt. Zwei Kreuzer für die Herren. Die Damen zahlen nix. Gewechselt wird nicht und wiedergeben tu ich auch nix. Die Paare kommen, wann sie mal rumtanzt haben, herbei ans Orchestern und stecken mir das Geldl in die Hosentasche. In Empfang nehmen kann ich's nicht, weil ich beide Händen für meine Klarinetten brauch. Aber ich sag euch, wann mir ein einziger etwa einen Knopf anstatt eines Kreuzers in die Taschen steckt, so hat das Vergnügen allsogleich ein End. Reellität muß sein. So, jetzt wißt ihr alle, woran ihr seid. Ich hab nix mehr zu sagen, und es geht los.“
Er ergriff den eisernen Taktstock, schwang ihn durch die Luft, schlug auf den Kuchendeckel, und Baß und Posaune fielen ein. Er hing gemächlich den Taktstock am Faden auf,
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