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69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen

69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen

Titel: 69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Auch sie war unverschlossen, wie Gisela ja unten erlauscht hatte.
    Sie öffnete und sah das sogenannte Bei- oder Nebenkästchen, welches er erwähnt hatte. Als sie den Deckel desselben aufschlug, erblickte sie den Lederbeutel. Schnell praktizierte sie ihr Geld zu dem seinigen und machte Kästchen und Truhe wieder zu.
    „Das ist er wert, und noch viel mehr als das!“ sagte sie zu sich, froh aufatmend, daß ihr der Streich gelungen war. „Wenn er wüßt, daß ich ihn belauscht habe! Ich weiß ganz genau, daß Stern-Bauers Fredi heut gar nicht zu Hause ist. Und nun schnell wieder fort und hinab in die Küche! Ich muß wissen, was er dazu sagt, daß sein Spargeld so gewachsen ist.“
    Da sie so eilig gewesen war, hatte sie sich in seiner Kammer nicht umgesehen. Erst jetzt fiel ihr Blick auf seinen Sonntagsanzug, welchen er heute in der Stadt angehabt hatte. Die einzelnen Stücke desselben waren breit aufgehängt, und sie fühlte, daß der Anzug durch und durch, von oben bis unten naß war.
    „Was ist da geschehen?“ fragte sie sich, beinahe erschrocken. „Ist er etwa gar ins Wasser gestürzt? Das muß ich erfahren. Er ist sonst so pünktlich, und daß er heute so spät zurückkam, das muß einen ganz besonderen Grund haben. Vielleicht erwähnt er gegen seine Mutter etwas davon.“
    Sie ging hinab, und als sie ihn kommen sah, tat sie, als ob sie eben aus der Haustür treten wolle.
    „Die Fredi ist gar nicht da“, berichtete er. „Sie kommt erst am Abend nach Hause. Dann aber will ihre Mutter sie sofort hersenden!“
    „Dann ist's zu spät. Aber ich danke dir, Ludwig.“
    Sie tat, als ob sie fortgehe, nach dem Garten zu, und er eilte hinauf nach seiner Kammer. Das benutzte sie, um sofort unbemerkt in die Küche zurückzukehren.
    Er kam so schnell von oben herab, daß anzunehmen war, er habe oben den Beutel gar nicht geöffnet.
    „Da bin ich wieder“, sagte er im Eintreten. „Ist dir die Zeit lang worden?“
    „Nein. Wo bist west?“
    „Für die Gisela hab ich fortgehen mußt. Dann aber hab ich gleich den Beutel holt. Hier ist er. Und nun wollen wir mal aufzählen.“
    Er streifte den Beutel auf den Tisch, daß es klang und klirrte.
    „Horch!“ sagte er. „Hast's hört? Es ist auch Gold darinnen.“
    „Das hör ich nicht. Unsereins lernt gar nicht kennen, wie das Gold klingen tut. Das wissen nur so reiche Leutln, wie du eins bist.“
    „Ja, heut bin ich reich!“
    „Und morgen bist wieder arm! Das ist wahr, mein armer Bub. Wollen doch nachdenken, ob die Hilf nicht auch auf andere Weisen möglich ist!“
    „Nein. Nix wird nachdacht! Aufzählt wird. Und dann laufst, wast laufen kannst, zum Juden. Aber niemalen wieder darfst was kaufen, ohne es mir vorher zu sagen!“
    „Ja, das will ich dir gern versprechen!“
    „Schön. Jetzund ist der Beutel offen, und nun wird's ausgeschüttet. Horch mal, wie das klingen wird!“
    Sie saßen wie zwei Kinder an dem Tisch. Sie ganz glücklich, so schnell und unerwartete Hilfe gefunden zu haben, und doch auch betrübt darüber, ihren Sohn seiner Ersparnisse berauben zu müssen. Er aber schüttete den Inhalt des Beutels mit jenem selbstzufriedenem Gesichtsausdruck aus, den man bei Leuten zu beobachten pflegt, welche das Bewußtsein hegen, tüchtige Kerls zu sein.
    „Hörst's, hörst's?“ fragte er, als die Geldstücke auf den Tisch rollten.
    „Ja. Es klingt gar schön.“
    „Schöner noch als eine Geigen oder eine Ziehharmonika. Und wieviel!“
    „Hundertachtzig Markern!“
    „Ja, hundertundacht –“
    Er hielt inne. Sein Blick war ungefähr abschätzend über das Geld geflogen und blieb nun befremdet auf demselben heften.
    „Was hast?“ fragte seine Mutter. „Fehlt etwa was?“
    „Fehlen? Nein, fehlen tut nix, gar nix. Ich weiß gar nicht, was ich denken soll.“
    „Wast denken sollst? Ja, was sollst denn denken? Du machst ja ein Gesicht wie – wie – wie – hör, da wird's mir ganz angst und bang dabei.“
    „Mir auch fast! Hm – hm – hm!“
    „Was hast denn zu brummen? Was ist denn geschehen?“
    „Was geschehen ist? Das begreif ich nicht. Meine Zwanzigmarkstuckerln haben Junge bekommen.“
    „Wast sagst!“
    „Ja, wirklich. Ich hab noch gar nicht zählt, und doch seh ich es genau. Hundertundvierzig Mark waren darinnen. Dabei waren fünf Zwanzigmarkerln, zwei Zehnmarkerln, und das andere war Papieren und Silber. Jetzund aber seh ich hier sieben Zwanzigmarkerln und fünf Zehnmarkerln, ohne das Silber, was auch geheckt worden. Wer kann das

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