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69

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Titel: 69 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryu Murakami
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Atmosphäre herrschte in diesem Raum. Es war nicht so, wie wenn man beim Rauchen auf dem Klo erwischt worden war oder dabei, wie man eine Prüfung schwänzte, um stattdessen Jazz zu hören. Die Lehrer waren kalt und distanziert. »Schon wieder du, Yazaki? Du Armleuchter. Warum versuchst du nicht mal, hierher bestellt zu werden, weil du ausnahmsweise was richtig gemacht hast?« - Keiner sagte etwas in dieser Richtung. Die Sportlehrer und der Verbindungslehrer saßen an ihren Tischen am anderen Ende des Zimmers und starrten uns an. Ein paar Lehrer schauten sogar auf ihre Schreibtische, als unsere Blicke sich begegneten. Ich nehme an, sie wussten einfach nicht, wie sie mit der ganzen Sache umgehen sollten. Schließlich war es die größte Schande in der gesamten Geschichte der Schule ...

    In der Klasse war es dasselbe. Die anderen lasen Das Kopfkissenbuch der Dame Sei Shonagon und versuchten so zu gucken, als wäre nichts passiert. Leute wie Adama und ich waren ihnen ebenso ein Rätsel wie den Lehrern, hier im hintersten Kyushu. Zwischen den Stunden sammelten sich einige enge Freunde um uns. Ich begann, mit lauter Stimme davon zu reden, was für ein Spaß es gewesen sei. Ich erzählte ihnen von der Planung, der Ausführung und dem Polizeiverhör und übertrieb, um sie damit zum Lachen zu bringen. Der Teil der Geschichte über Nakamuras »Kacka« wurde von einer Lachsalve nach der anderen unterbrochen, und die Menge um uns wuchs an, bis sie bald die Hälfte der anwesenden Kids umfasste. Indem ich die Geschichte erzählte, wurde ich zum Star . Etwas lernte ich daraus. Wenn du total bedrückt bist und dir etwas Leid tut, dann stehst du allein da. Keiner der Anwesenden konnte beurteilen, was an der Sache richtig und was falsch war. Keiner konnte die Barrikade in ideologischer Hinsicht einschätzen. Der Sieg gehörte dem, der den meisten Spaß hatte. Hinter dieser abgebrühten Fassade hatte ich natürlich Angst davor, von der Schule zu fliegen, aber um den anderen die Befangenheit zu nehmen, war es das Beste, die Sache mit einem Schulterzucken abzutun und ihnen zu erzählen, was für eine Gaudi wir alle gehabt hatten. Tatsächlich hätte der größte Teil von ihnen - oder zumindest die Hälfte - es gerne selbst gemacht. Der Rest - zweifelsohne diejenigen, die meinten, ich solle auf die Knie sinken und um Gnade betteln -hasste mich nur noch mehr, als sie es ohnehin schon taten. Ich war mir ihrer Feindseligkeit bewusst und redete weiter. Auch wenn ich fliege, warnte mein Herz sie, seid ihr die Verlierer. Mein Gelächter wird euch bis ans Ende eures armseligen Lebens in den Ohren klingen.

    Nach dem Unterricht hatten Adama, Iwase und ich eine Unterredung in der Bibliothek.
    »Wie haben sie es herausgekriegt?«, fragte Iwase.
    »Der verdammte Fuse«, sagte Adama. »Fuse wohnt doch da draußen in einem der Vororte, wisst ihr? Der bescheuerte Arsch ist mitten in der Nacht mit seinem Fahrrad nach Hause gefahren und war von Kopf bis Fuß mit Farbe bekleckert. Also hat ihn ein Bulle angehalten. Keiner fährt mitten in der Nacht mit dem Fahrrad in der Pampa herum, außer einem Einbrecher oder so, klar? Wenn er dem mit einer guten Geschichte gekommen wäre - ich meine, Dorfpolizisten merken nicht, wenn man sie hochnimmt, klar? Es wäre für ihn kinderleicht gewesen, sich aus so einer Situation herauszureden, wenn er nur irgendeinen Scheiß erzählt hätte. Aber Fuse fängt an zu quatschen und vermurkst alles. Zu dem Zeitpunkt hatte der Bulle natürlich noch keinen Grund anzunehmen, dass Fuse gerade die Barrikade an der Schule errichtet hat, aber er fragt Fuse nach seinem Namen und dem Namen seiner Schule, nur für alle Fälle, weil er sich so verdächtig benommen hat. Als er erst einmal die Nachrichten gehört hat - ich meine, sogar der dämlichste Bulle fängt da an, eins und eins zusammenzuzählen. Sie haben Fuse gleich einkassiert, und er hatte einfach die Hosen voll.«
    »Yazaki-san.«
    Hinter uns ertönte die Stimme eines Engels. Kazuko Matsui stand da und sah besorgt aus. Direkt neben ihr stand Yumi Sato, die Ann-Margret des English Drama Clubs.
    »Ich habe mit Yumi-chan darüber gesprochen. Wir haben daran gedacht, eine Petition dagegen einzureichen, dass sie dich von der Schule schmeißen wollen.«
    Wäre ich ein Hund gewesen, hätte ich mich auf dem Boden gewälzt, mich von oben bis unten vollgepinkelt, Schaum vor dem Maul gehabt und mit dem Schwanz gewedelt, bis er abgebrochen wäre.

LYNDON JOHNSON
    Alle Mädchen aus dem

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