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Klasse C, nicht wahr?«, fragte ich. Sie nickte.
»Wer ist dein Klassenlehrer? Shimizu?«
»Herr Shimizu, ja.«
Shimizu war ein widerlicher Bastard mit einem spitzen Kinn, dessen Profil wie eine Mondsichel aussah. Ich fing an, ihn nachzuäffen. »Matsui, was zum Teufel hast du vor? He? Wie kannst du dich nur mit diesem Ferkel Yazaki abgeben? He? Du solltest dir das lieber gut überlegen. He?« Shimizu hatte sein Diplom am Institut für Japanische Literatur an der Universität von Saga gemacht, der trostlosesten Universität in ganz Japan. Der Regierungsbezirk Saga konnte einen siebenfarbigen Springbrunnen vor seinem Regierungsgebäude vorweisen, die Ruinen einer alten Burg und ungefähr eine Million Meilen mit nichts als Reisfeldern. Es war schwierig, irgendwo in der Gegend eine ordentliche Schüssel Nudeln aufzutreiben oder eine Frau unter neunzig. Niemand kann mir erzählen, dass ein Typ, der an einem so trübseligen Ort Japanische Literatur studiert hat, das Recht besitzt, einem so schönen und mutigen Mädchen wie Kazuko Matsui überhaupt irgendetwas zu sagen.
Meine Parodie auf Shimizu war nicht besonders gut, aber Kazuko legte sich die Hand auf den Mund und kicherte.
»Oh, das hätte ich fast vergessen«, sagte ich. »Warte mal einen Moment.«
Ich ging zurück ins Klassenzimmer und flüsterte einem Typ namens Ezaki, dessen Vater eine Kette von Schönheitssalons betrieb, zu, dass ich mir die Schallplatte ausleihen wolle, die er mir gerade gezeigt hatte. Ezaki runzelte die Stirn und sagte: »Aber, aber, aber ...« »Kein Aber, Arschloch, gib sie mir einfach«, sagte ich und funkelte ihn an, bis er die Tasche öffnete und seine brandneue Cheap Thrills herauszog.
»Aber ich habe sie mir noch nicht einmal angehört«, jammerte er. Ich beachtete ihn nicht und rannte zu meinem Engel zurück. Adama sagte zu Ezaki: »Vergiss es, Mann, lass ihn. Wenn Ken so drauf ist, dann könntest du auch ein Bulle oder ein Lehrer sein, er würde trotzdem einfach mit dem Ding abhauen. Das ist Schicksal, Mann. Lass ihn.«
»Magst du Janis Joplin?«, fragte ich sie.
»Oh, ich kenne die Platte. Die Frau mit der rauen Stimme, richtig?«
»Ja, sie ist gut.«
»Die einzigen Sänger, über die ich ein bisschen was weiß, sind die, die vom Folk her kommen - Dylan, Donovan, Baez, solche Leute. Aber ich kenne diese Platte. Summertime ist da drauf, nicht?«
Lady Jane war einfach süß. Sie erwähnte nicht einmal Simon and Garfunkel, deren Platte ich ihr versprochen und immer noch nicht besorgt hatte.
»Sie ist für dich. Schau, mach dir keine Gedanken wegen der Petition. Ich glaube, ich werde sowieso nicht rausgeschmissen.«
»Die ist ja noch gar nicht geöffnet! Du hast sie dir noch nicht einmal angehört, oder?«
»Macht nichts, ich bekomme Hausarrest oder werde vom Unterricht ausgeschlossen oder so was, also habe ich bald jede Menge Zeit. Ich werde sie mir dann anhören.«
Ich starrte aus dem Gangfenster auf die Berge in der Ferne, und auf meinem Gesicht lag etwas, von dem ich hoffte, dass es wie ein einsames Lächeln aussah. Lady Jane hielt ihren Kopf immer noch leicht gesenkt und schaute mich unter ihren Augenwimpern hervor an. Als ich den Ausdruck auf ihrem Gesicht sah, wusste ich, dass ich es geschafft hatte, und ich wäre am liebsten den Flur auf und ab getanzt. Der Engel verließ mich und drehte sich beim Gehen noch mehrere Male um und blickte zu mir zurück. Als ich wieder zu meinen Freunden ging, murmelte Ezaki düster etwas über Menschen, die nur an sich selbst denken, aber Adama sagte: »Genau richtig. Das hast du perfekt hingekriegt.«
Da die Bewegung, die uns vor dem Schulverweis retten sollte, im Sande verlaufen war, blieb uns nichts übrig, als auf den Richterspruch des Rektors zu warten.
»Ich frage mich, warum mir übel wird, wenn ich mir diesen Kram angucke«, sagte Adama zu dem Schauspiel unter uns, wo die Mädchen entlang der Kreidestriche hin-und herliefen und im Takt der Musik herumhüpften. Ich hatte Adama noch nie zuvor so nervös gesehen - er war normalerweise so cool und gelassen. Vor anderen Menschen zeigte er nie ein Anzeichen von Verärgerung oder Ekel oder Traurigkeit. Es stimmte, er kam aus einer Kohlenbergbau-Stadt irgendwo in der Pampa, aber sein Vater war im Management tätig, und seine Mutter kam aus einer guten Familie und hatte einen höheren Schulabschluss. Adama wuchs mit all der Liebe und all den materiellen Annehmlichkeiten auf, die sich ein Kind nur wünschen konnte. Er hatte bis zu
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