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dritten Jahrgang waren auf dem Hauptspielfeld versammelt, um für die Abschlussfeier des Nationalen Sportfests zu proben. Sie wurden von der Kriegerwitwe überwacht, Fumi-chan. Fahrlehrer sind in dieser Hinsicht die schlimmsten, aber eigentlich geilen sich alle Lehrer daran auf, ihre Schützlinge einzuschüchtern, indem sie ihre Position ausnutzen. Das ist ihre Art, die Leere in ihrem eigenen Leben auszufüllen. Ein düsteres, einsames Leben macht einen Lehrer zum Sadisten.
»Ihr da. Ihr drei Mädchen. Da sind keine Jungen, die euch beobachten. Ihr hebt die Beine nur deshalb nicht hoch genug, weil ihr euch Gedanken macht, wie ihr dabei ausseht. Keiner guckt auf eure blöden Beine. Höher damit!«
Fumi-chan brüllte durch ein Megaphon. Adama und ich waren niedergeschlagen, trotz der Tatsache, dass wir auf ein Meer aus siebzehnjährigen Mädchen hinunterschauten, ungefähr dreihundert insgesamt. Der Rektor wollte uns am nächsten Tag unsere Strafe mitteilen. Lady Janes und Ann-Margrets Einfall, eine Petition einzureichen, war nie in die Tat umgesetzt worden. Die Schulverwaltung hatte Wind davon bekommen, dass etwas im Busch war, und hatte Druck ausgeübt, bevor etwas passieren konnte.
Nach dem Ende der Sommerkurse vor zwei Tagen hatte ich mit Adama und ein paar anderen Freunden über Jimmy Page und Jeff Beck diskutiert. Wir versuchten festzustellen, wer von ihnen schneller spielen, schneller rennen, schneller essen konnte und so weiter. Ich sagte, ich würde wetten, dass bei Janis Joplin selbst dann ein krächzendes Geräusch rauskam, wenn sie furzte, und alle lachten. Dann hörte einer von uns plötzlich auf zu lachen und zeigte auf die Tür zum Klassenraum, und wir alle verstummten. Ein Engel stand im Türrahmen und schaute in unsere Richtung.
»Yazaki-san, hast du einen Moment Zeit?«, fragte sie und senkte ihren Blick. Ich schwebte auf sie zu und unterdrückte den Drang, My Little Butterfly zu singen. Der Engel ging auf den Flur hinaus und lehnte sich kraftlos gegen eine Wand, verschränkte die Hände auf dem Rücken und schaute mich mit leicht gesenktem Kopf an. Ich würde alles tun, dachte ich, sogar in den Krieg ziehen, damit sich diese Augen auf mich richten.
»Yazaki-san, ich ...« Der Engel sprach mit sehr leiser Stimme. Ich musste näher an sie herangehen, um sie hören zu können, nah genug, um ihr Shampoo zu riechen. Ich fiel in eine Art Trance, blickte auf die winzigen Schweißperlen auf ihrer Stirn, die feinen Fältchen auf ihren rosa Lippen und auf das Beben ihrer langen Augenwimpern und fragte mich, wie es wohl wäre, dieses wunderschöne, ovale Gesicht zu küssen. Die anderen starrten aus dem Klassenzimmer zu uns heraus. Adama grinste. Ein anderer Typ machte eine obszöne Handbewegung, ballte eine Hand zur Faust und stieß mit dem Finger hinein.
»Sollen wir in die Bücherei oder sonst irgendwohin gehen?«, schlug ich vor.
»Das ist schon okay hier«, sagte sie. »Die Sache ist, also, Yumi-chan und ich und noch ein paar Freundinnen, wir wollten eine Petition einreichen, aber unser Lehrer sagte, er wolle mit uns sprechen und, also, es ist mir so peinlich, ich hatte gedacht, ich könnte dir das nicht sagen, aber ich weiß, es würde mich sehr belasten, wenn ich es nicht täte, also möchte ich mich entschuldigen, weil ...«
Ich sah es genau vor mir. Die Lehrer hatten ihr gedroht. So viel zum Sadismus. Ich konnte mir genau ausmalen, wie sie es angestellt hatten. Ihre Methoden waren im Prinzip die gleichen wie bei den Bullen und beim Geheimdienst. Sie hatten das ganze System auf ihrer Seite. »Wo liegt dein Problem? Sag schon. Du lebst in einem freien und friedlichen Land wie diesem hier, gehst in eine Schule mit den besten Universitäts-Aufnahmequoten im Regierungsbezirk, du kommst in der Schule gut voran, was eine gute Vorbereitung für deine Zukunft ist ... über was beschwerst du dich eigentlich?« Das war so ungefähr ihre Taktik.
»Es tut mir Leid.« Sie biss sich auf die Unterlippe, wahrscheinlich weil sie nicht vergessen konnte, wie sie ihr zugesetzt hatten. Dafür hätte ich sie umbringen können. Das Einzige, was diese Arschlöcher anmachte, war Sicherheit . »Einen Studienplatz kriegen«, »einen Job kriegen«, »einen Ehemann kriegen« - all ihre Argumente basierten auf der Annahme, dass allein das der Weg zum Glück war. Und es war nicht leicht, diese Annahme zu widerlegen, zumindest nicht für Oberschul-Kids, die noch keine richtige, eigene Identität gefunden hatten.
»Du bist in
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