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69

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Titel: 69 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryu Murakami
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seinem fünften Lebensjahr sogar Orgelunterricht genommen - das war etwas, was ihn in der Welt der Grubenarbeiter praktisch zum Mitglied der Aristokratie machte.
    Unser Adama war jetzt aber wirklich fertig. Die Entscheidung über unsere Strafe musste ziemlich schwer auf ihm lasten.
    Fumi-chans schrille Stimme - »Nein, nein, nein! Wie oft muss ich euch das sagen?« - drang schmerzhaft an unsere Ohren. Blaue und rote Adern standen an ihrem dürren Hals vor, und sie wackelte verzweifelt mit dem Hintern. Welches Recht hatte jemand wie sie, sich so aufzuspielen? Adama brauchte mir gar nicht zu erzählen, wie ekelhaft das war - mir war schon zum Kotzen . Zugegeben, unter den Mädchen befanden sich ein paar groteske Exemplare, aber es war widerlich, mit anzusehen, wie siebzehnjährige Körper herumkommandiert wurden.
    Siebzehnjährige Körper waren nicht auf dieser Welt, damit man sie in farblose Gymnastikanzüge steckte und sie zwang, nach einem festgelegten Muster herumzumarschieren. Einige von ihnen sahen zwar aus wie Flusspferde, aber die meisten siebzehnjährigen Körper mit ihren glatten, geschmeidigen Muskeln waren dazu gemacht, an einem Strand herumzulaufen und mit den Wellen Fangen zu spielen und vor Freude zu jauchzen.
    Es war also nicht nur das noch einen Tag entfernte Urteil, das uns fertig machte; die Mädchen bei ihren Übungen zu beobachten war auch deprimierend. Einfach zu sehen, wie man Menschen zwang, etwas zu tun, war echt Scheiße.

    Keiner von meinen Eltern erwähnte während des Abendessens die Frage meiner Bestrafung. Als wir mit dem Essen fertig waren, ging ich in meinem leichten Baumwollkimono nach draußen, um mit meiner kleinen Schwester Feuerwerkskörper zu zünden. Sie erzählte mir, dass sie bald eine Klassenkameradin zu uns einladen wolle, die Torigai-san hieß. Torigai-san war zur Hälfte Amerikanerin und für ein Mädchen aus der sechsten Klasse merkwürdig sexy. Ich war ständig hinter meiner Schwester her, damit sie uns miteinander bekannt machte. Wahrscheinlich erinnerte sie sich gerade jetzt daran und brachte es zur Sprache, weil sie irgendwie spürte, wie down ich mich wirklich fühlte, obwohl ich versuchte, herumzualbern und fröhlich zu sein.
    Mein Vater stand auf der Veranda und beobachtete uns. Er ging barfuß hinunter in den Garten und sagte: »Lasst mich auch mal versuchen.« Er nahm drei Wunderkerzen in eine Hand, zündete sie an und schwenkte sie im Kreis. Mein Schwester klatschte in die Hände und meinte, es sei wunderschön.
    »Ken, wegen morgen«, sagte er. Ich war gerade in Gedanken damit beschäftigt, mir Torigai-sans blaue Augen auszumalen und ihre knospenden Brüste, und begriff zunächst gar nicht, dass er von der Urteilsverkündung sprach. »Ich werde nicht mit dir gehen. Ich habe deine Mutter gebeten mitzugehen. Weißt du, wenn ich mitkäme, könnte es in einer Schlägerei enden.«
    Das war keine Überraschung. Immer wenn meine Eltern in die Schule bestellt wurden, war es meine Mutter, die hinging. Mir war das so auch lieber. Ich wollte nicht mit ansehen, wie mein Vater neben mir stand und sich für etwas entschuldigte, das ich getan hatte.
    »Sieh ihnen in die Augen«, sagte er. »Wenn dich der Rektor abkanzelt, schau nicht zur Seite und lass nicht den Kopf hängen. Ich will nicht, dass du vor anderen Leuten kriechst. Du hast keinen Grund, dich aufzublasen, aber du brauchst auch nicht unterwürfig zu sein. Du hast ja schließlich niemanden umgebracht oder überfallen oder vergewaltigt oder so. Du hast an das geglaubt, was du getan hast, und jetzt musst du die Konsequenzen tragen.«
    Ich spürte, wie die Tränen in mir hochstiegen. Seit dieser Pleite wurden wir ständig von den Erwachsenen angegriffen. Mein Vater war der Erste, der mir so etwas wie Mut zusprach.
    »Wenn die Revolution kommt, könntet ihr Jungs als Helden enden, und der Rektor wäre derjenige, der baumelt. So läuft das in solchen Fällen.«
    Er fing wieder an, mit den Wunderkerzen zu wedeln. Wunderkerzen verbrennen ruckzuck ...
    Aber sie sind wunderschön.

    Es war das erste Mal, dass ich mit meiner Mutter an meiner Seite durch ein Schultor ging. Sogar in der Grundschule war es mein Großvater gewesen, der mich zur Schulanfangsfeier begleitet hatte; meine Eltern konnten beide nicht, weil sie unterrichten mussten.
    Beim Hineingehen trafen wir Adamas Mutter. Sie war groß, und ihre Gesichtszüge erinnerten sehr an Adama, waren aber fester geformt. Meine Mutter verneigte sich vor ihr und sagte: »Ich

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