7 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 2te Folge
schob ihn voran und riß ihn mit, daß er es wieder vergaß.
Seine Schwester Dark lief mit anderen kleinen Kindern hin und her. Sie aßen den ganzen Tag. Seine Mutter aß nicht. Sie hatte keinen Appetit. Ihre Augen schlossen sich.
»Sonnenuntergang«, sagte der Vater schließlich.
Der Tag war vorüber. Das Licht verblaßte. Wind kam auf.
Seine Mutter erhob sich. »Ich will die Außenwelt noch einmal sehen … noch ein einziges Mal …« Sie zitterte und starrte mit blinden Augen zum Tunnel.
Die Augen des Vaters waren geschlossen. Er lehnte gegen die Wand. »Ich kann nicht aufstehen«, flüsterte er schwach. »Ich kann nicht.«
»Dark!« rief die Mutter heiser, und das kleine Mädchen kam herbeigesprungen. »Hier!« Sie legte ihr Sim in die Arme. »Sieh auf Sim, Dark. Füttere ihn und beschütze ihn.« Sie streichelte Sim zum letztenmal.
Dark sagte kein Wort. Sie hielt Sim, und ihre großen grünen Augen glitzerten feucht.
»Geht jetzt«, sagte die Mutter. »Nimm ihn mit ins Freie. Vergnügt euch. Eßt und spielt!«
Dark ging, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Sim sträubte sich unter ihrem Griff und sah mit ungläubigen, traurigen Augen auf seine Mutter. Dann schrie er auf, und das erste Wort seines Lebens kam über seine Lippen.
»Warum …?«
Seine Mutter versteifte sich. »Das Kind hat gesprochen.«
»Ja«, sagte der Vater. »Hast du gehört, was es sagte?«
Die Mutter nickte ruhig.
Das letzte Bild, das Sim von seinen Eltern aufnahm, war der schwankende Schritt seiner Mutter, die zu dem still daliegenden Vater hinüberging.
4
Die Nacht kam und verging, und dann begann der zweite Tag.
Die Leichen derer, die während der Nacht gestorben waren, wurden in einer Prozession auf eine Bergkuppe getragen. Die Prozession war lang, die Leichen zahlreich.
Dark ging mit und hielt den Jungen an der Hand. Sim hatte laufen gelernt, eine Stunde vor Sonnenaufgang.
Auf der Bergkuppe sah Sim wieder die ferne Metallkapsel. Niemand warf einen Blick darauf, und niemand sprach davon. Weshalb? Gab es einen Grund? War es nur ein Traumbild? Warum rannten sie nicht alle zu ihr hin? Warum beteten sie sie nicht an? Warum versuchten sie nicht, sie zu erreichen und sich in den Raum zu erheben?
Die Predigtworte verklangen. Man legte die Toten so auf den Boden, daß sie die Sonne in wenigen Minuten zu Staub zerfallen ließ.
Dann rannten die Teilnehmer des Trauerzuges den Hügel hinab, um sich gierig den kurzen Daseinsfreuden hinzugeben. Sie wollten in der sanften Luft spielen und lachen.
Dark und Sim schwatzten munter. Sie pflückten die Beeren am Wegrand ab und tauschten ihre Lebenserfahrungen aus. Er war zwei, sie drei Tage alt.
Eine neue Perspektive des Lebens öffnete sich vor ihnen.
Fünfzig junge Männer rannten von den Klippen herab, in den ungelenken Händen scharfe Steine und Dolche. Johlend rasten sie hinüber zu den fernen, dunklen Felsen im Westen.
»Krieg 1 «
Der Gedanke stieg in Sims Gehirn auf. Er schüttelte sich. Diese Männer liefen hinaus auf die schwarzen Felsen, um zu töten, um andere Menschen zu töten.
Aber weshalb? War nicht das Leben auch ohne Kampf kurz genug?
Aus weiter Ferne hörte er die Schlachtrufe. Ein kaltes Gefühl machte sich in seinem Magen breit. »Warum, Dark, warum?«
Dark wußte es nicht. Vielleicht würden sie es morgen verstehen. Jetzt mußten sie essen, um zu wachsen und stark zu werden. Dark glich einer Eidechse, die ihr rosiges Zünglein nie still hielt. Sie aß und aß.
Blasse Kinder liefen neben ihnen. Ein dicker Junge rannte über die Felsblöcke. Er stieß Sim zur Seite und nahm ihm eine besonders prächtige rote Beere weg, die er unter einem Strauch gefunden hatte.
Bevor Sim wieder auf die Beine kam, hatte sie der Junge gegessen. Dann warf sich Sim mit zittrigen Beinen auf ihn, und sie balgten sich, bis Dark sie schimpfend trennte.
Sim blutete. Irgendein Teil seines Wesens stand wie ein Richter über den Dingen und sagte: »Das sollte nicht sein. So dürften Kinder nicht sein. Es ist nicht recht.«
Dark gab dem kleinen Eindringling einen Klaps. »Geh weg!« rief sie. »Wie heißt du?«
»Chion«, sagte der Junge.
Sim starrte ihn mit der ganzen Wildheit seiner kindlichen Züge an. Er schluckte. Das war sein Feind. Es war, als habe er die ganze Zeit auf ihn gewartet. Er verstand die Lawinen, die Hitze, die Kälte, die Kürze des Lebens – aber das waren Demonstrationen der nichtdenkenden Natur. Hier, in dem kampfhungrigen Chion, fand er einen denkenden
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