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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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an einem großen Verbrechen geworden und kann nicht von hinnen gehen, bevor ich es von meiner Seele gewälzt habe.
    Leider ist meine Liebe zu Dir so groß, daß ich nicht den Mut finde, es sofort zu sühnen. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß Du, wenn ich von Dir geschieden bin, in Armut und Hunger und Elend versinken sollst. Darum sollst Du es erst später erfahren. Wenn dann diese Zeilen in Deine Hände geraten, dann bist Du wohl erwachsen und auch stark genug, das Unvermeidliche zu tragen. Wenn dadurch anderen ein verlängertes Unrecht geschieht, so wird Gott, der Allgütige, mir verzeihen. Ich kann nicht anders. Ich will wenigstens dafür sorgen, daß Deine Jugend ungetrübt von den ordinären Sorgen des Lebens sei und Dir die Mittel zur Verfügung stehen, Dir diejenige Bildung und Kenntnisse anzueignen, mit deren Hilfe Du Dir einen Weg zu bahnen vermagst, wenn Du erfährst, daß Du eigentlich ein armes Mädchen bist.
    Wie Du weißt, wurde ich mit meiner Kusine Emilie von Sendingen bei einer alten steinreichen Tante erzogen. Sie hatte uns beide gleich lieb und beabsichtigte infolgedessen, uns an ihrer einstigen Hinterlassenschaft zu gleichen Teilen teilnehmen zu lassen.
    Da wurde uns der Baron von Alberg vorgestellt. Die Tante konnte ihn nicht leiden. Sie hegte kein Vertrauen zu seinem Charakter. Er machte Emilien den Hof. Sie aber wies ihn ab und vermählte sich später mit dem Herrn von Sandau, welcher zunächst ganz glücklich mit ihr lebte, dann aber das Vertrauen seiner Vorgesetzten in wirklich schmachvoller Weise täuschte und demnach auf das strengste bestraft wurde.
    Auf mich dagegen hatte das glatte, gewandte Wesen Albergs einen solchen Eindruck gemacht, daß ich beschloß, selbst gegen den Willen der Tante seine Frau zu werden. Sie riet mir ab; ich aber hatte keine Ohren für ihre Vorstellungen und blieb fest in den Banden des Mannes, welcher es verstanden hatte, mich so für sich zu gewinnen, daß ich bereit war, ihm alles zu opfern.
    Noch am letzten Tag sagte mir die Tante, daß sie dafür sorgen müsse, daß ihr Vermögen nicht in die Hände dieses Mannes gerate. Sie enterbte mich und setzte ihr Testament in meiner Gegenwart auf. Die Zeugen, welche sie geladen hatte, unterschrieben es, und sie verwahrte es in der eisernen Schatulle, in welcher sie ihre Kostbarkeiten aufzuheben pflegte.
    Natürlich erzählte ich dies Alberg. Er lachte darüber und tröstete mich mit der Versicherung, daß er mich um meiner selbst willen liebe und nicht um des Vermögens willen heirate. Emilie von Sendingen wurde zur Universalerbin erklärt; ich war enterbt und wurde Albergs Frau.
    Wie sehr ich mich in ihm getäuscht hatte, das sollte ich sehr bald bemerken. Er hatte von großen Gütern gesprochen, welche sein Eigentum seien, von einer glänzenden Karriere, welche er machen werde – es war alles erlogen. Er besaß nichts und war nichts als nur – ein routinierter, professioneller Spieler. Er lebte davon, anderen im Hazard das Geld abzunehmen.
    Was ich da gelitten und ausgestanden habe, das kann ich dir unmöglich beschreiben. Glücklicherweise oder vielmehr leider sollte sich wenigstens unsere pekuniäre Lage bald in eine bessere, ja sogar glänzende verwandeln. Die Tante starb. Ihr Testament wurde gefunden und eröffnet. Sie hatte – mich zur Universalerbin eingesetzt. Denke dir mein freudiges Erstaunen!
    Herr von Sandau, welcher damals noch Offizier war, focht das Testament an. Er wußte ganz genau, daß die Tante seine Frau und nicht mich hatte zur Erbin einsetzen wollen. Er brachte Zeugen vor, zu denen sie noch kurz vor ihrem Tod gesagt hatte, daß ich enterbt worden sei – es half ihm nichts. Emilie erhielt keinen Pfennig. Ich wollte ihr freiwillig eine Summe auszahlen lassen, aber das gab mein Mann nicht zu.
    Das Testament war unanfechtbar gewesen. Es hatte alle Eigenschaften, welche zur Rechtskraft erforderlich sind, und die sämtlichen Verwandten der drei Zeugen, von denen es unterschrieben worden war, erklärten und beschworen, daß die Unterschriften echt seien.
    Die drei Zeugen waren nämlich merkwürdigerweise gestorben. Der eine starb an Typhus, also eines natürlichen Todes; die beiden andern aber waren, der erste im Duell und der zweite in der Schweiz gestorben, wo er auf einer Fußtour verunglückte.
    Erst nach längerer Zeit fand ich einmal den Schreibtisch meines Mannes offen. Ich blickte in das Fach und fand – das echte Testament der Tante, in welchem ich enterbt worden war. Denke

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