70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament
darüber schweigen? Du bildest dir nichts auf die Schönheit ein, die doch nur eine unverdiente Gnadengabe Gottes ist. Ja, du bist schön, schöner als tausend andere. Du bist reich, und in sehr schlauer Berechnung hat dein Vater sehr viel auf die Bildung deines Geistes verwendet. Das Gemüt hat er dabei ganz außer acht gelassen. Hättest du nicht dasjenige deiner Mutter geerbt, so würdest du jetzt ein ganz herzloses, prahlerisches Dämchen sein. Ich wollte eben sagen, daß dein Vater einer Berechnung gefolgt ist, bei welcher er eben einen sehr wichtigen Faktor außer acht gelassen hat, nämlich dein gutes, reines Herz. Er hat dich in tiefster Einsamkeit gehalten, um dann, wenn er dich ins große Leben einführt, mit dir desto größere Furore zu machen. Ist's nicht so?“
„Jawohl, und vielleicht noch gar schlimmer. Er hatte Pläne entworfen, zu deren Erfüllung ich ihm die Hand bieten sollte. Aber das hat den Bruch zwischen ihm und mir herbeigeführt. Ich hasse den eitlen Glanz, die Hohlheit und Leerheit des Lebens in der sogenannten großen Welt. Mein Leben soll besseren, würdigeren Zwecken gewidmet sein. Niemals könnte ich einen Mann glücklich machen, welcher seine Aufgabe darin sucht, in jenen Kreisen zu brillieren. Und soll ich mir einen Mann in tieferen Sphären suchen? Vielleicht würde ich ihn finden. Aber darf ein Mädchen überhaupt suchen? Sie muß gesucht werden, und ein Mann, der seiner äußeren Stellung nach tief unter mir steht, wird es nicht wagen, seine Hand nach mir auszustrecken. Darum und eben denke ich, daß ich ledig bleiben werde und daß dieser Brautschmuck – o lassen wir das. Ich will ihn dir lieber einmal zeigen.“
Keilberg zitterte förmlich auf seinem Lauscherposten. In diesem Schrank befanden sich große Summen, ein noch höherer Wert an Juwelen. Ah, wer da einen schnellen, kühnen Griff tun könnte!
Er sah durch das Schlüsselloch, daß Milda ein ziemlich großes Ebenholzkästchen aus dem Schrank nahm und dasselbe öffnete. Es enthielt mehrere Etuis, in denen die einzelnen Gegenstände des Schmucks auf dunkelsamtener Unterlage ruhten. Das schöne Mädchen zeigte der mütterlichen Freundin alles, das Brautdiadem, das prächtige Kollier, die Armbänder, Ringe, Broschen und Diamantgehänge. Das funkelte und glitzerte im Lampenschein, daß dem Lauscher die Augen übergingen.
Dann legte sie alles in das Kästchen zurück und stellte dasselbe in den Schrank.
„Und hier habe ich das größte Kleinod, welches Mutter mir hinterlassen hat, nämlich das Tagebuch, welches sie in den letzten Jahren vor ihrer Vermählung geführt hat. Es ist darin zu lesen auf welche Weise sie ihren Mann, meinen Vater, kennengelernt hat. Möchtest du das nicht gern wissen?“
„Es müßte freilich sehr interessant sein, es zu erfahren.“
„So nehmen wir es jetzt mit auf mein Zimmer. Ich lese es dir vor. Du hast doch Zeit dazu?“
„Oh, sehr gern, mein liebes Kind. Ich kann versichern, daß –“
Sie wurde unterbrochen. Die Zofe trat ein und meldete, daß ein Bote vom Herrn Lehrer Max Walther gekommen sei, der etwas abzugeben habe.
„Das muß sehr notwendig sein“, sagte Milda. „Er kommt nicht selbst und sendet einen Boten. Ich komme gleich.“
Sie ging mit der Zofe hinaus. Es verging eine kurze Weile, dann öffnete sie von außen die Tür und rief in erregtem Ton hinein:
„Komm schnell herüber in mein Zimmer. Es ist wirklich etwas höchst, höchst Wichtiges.“
„Willst du nicht erst hier abschließen?“ bemerkte die vorsichtige Frau.
„Komm nur, komm. Es ist sehr wichtig. Ich schließe nachher ab. Unter meinen Leuten gibt es keinen Dieb.“
Frau Holberg folgte ihr. Der Bote war wieder fort, aber das Kuvert, welches er gebracht hatte, lag auf dem Tisch. Milda hielt den Inhalt dessen in ihrer Hand. Ihr Gesicht war noch bleicher als vorher, und in ihren Augen lag ein geisterhafter Glanz. Man hätte sich vor ihr fürchten können.
Frau Holberg sah das und erschrak.
„Kind, was hast du? Was ist mit dir? Was machst du für ein Gesicht?“
Milda befand sich allerdings in einem ganz ungewöhnlichen Seelenzustand. Ihre Stimme, als sie jetzt antwortete, klang förmlich rauh, als ob die Silben nur mit aller Anstrengung über die Lippen gebracht werden könnten.
„Ich – ich – ich habe auch – auch alle Veranlassung dazu“, sagte sie.
„So teile dich mir mit! Schnell, schnell! Dann wirst du die Last los!“
„Eine Last? Oh, es ist mehr, weit mehr als eine Last. Mutter,
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