70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament
jetzt kannst du beweisen, daß du wirklich meine Mutter sein willst!“
„Daran ist ja gar kein Zweifel. Sprich nur! So rede doch!“
„Hast du vielleicht in deiner Wohnung ein kleines Zimmerchen übrig, ein ganz kleines Zimmerchen?“
„Wozu?“
„Für ein armes, blutarmes Mädchen, welches zu dir ziehen und bei dir wohnen möchte!“
„Das könnte ich wohl beschaffen. Aber wer ist dieses Mädchen? Vielleicht wohl ein Schützling von dir?“
„Nein. Ich – ich – ich bin es selbst.“
„Du?! Kind, was fällt dir ein! Was redest du für Zeug.“
„Es ist so; es ist in Wirklichkeit so. Du nanntest mich vorhin ein reiches Mädchen. O Gott, wenn du wüßtest, wie reich, wie unendlich reich ich bin.“
Sie sprach das in qualvollster Selbstironie aus. Frau Holberg schüttelte den Kopf und sagte:
„Ich verstehe kein Wort. Bitte, erkläre dich deutlicher.“
„Kann ich es deutlicher sagen? Ich bin arm, ärmer als die Ärmste auf Gottes Erde!“
„Du, die Besitzerin dieser reichen Herrschaft, dieses Schlosses, der Geldsummen und Juwelen, welche wir uns soeben erst betrachtet haben.“
„Das gehört alles nicht mir.“
„Wem denn? Deinem Vater?“
„Nein. Er hat es gestohlen.“
„Gott! Redest du vielleicht irre?“
„Nein, es ist so.“
„Beweise es, beweise es.“
„Hier ist der Beweis.“
Sie deutete auf die Papiere, welche sie in der Hand hielt.
„Es kann nicht wahr sein. Du mußt und mußt dich irren.“
„Nein, es ist wahr. Mutter selbst schreibt es mir.“
„Es ist eine Täuschung, anders nicht.“
„Nein, es ist gar kein Zweifel möglich!“
„Aber wem soll das alles gehören?“
„Jener Familie – mein Gott, was haben wir an dieser Familie alles gutzumachen! Jener Familie Sandau gehört alles.“
„Wieder und wieder diese Sandaus!“
„Ja. Du weißt doch, daß ich ein erst kürzlich aufgefundenes Schreiben meiner Mutter nicht vollständig lesen konnte, weil die Schrift verblaßt war?“
„Ja. Du hast es Max mitgegeben.“
„Er hat die Schrift chemisch aufgefrischt und schickt es mir jetzt zu. Dabei schreibt er mir jetzt Folgendes.“
Sie nahm einen kleinen Briefbogen, welcher mit im Kuvert gesteckt hatte, und las:
„Mein liebes Schwesterchen!
Soeben zeigte sich die Wirkung des Verfahrens welchem ich die Schrift Deiner seligen Mutter unterworfen habe. Es ist mir gelungen, die Züge so aufzufrischen, daß sie so gut zu lesen sind, als ob sie erst gestern geschrieben worden wären. Freilich bin ich über den Inhalt ebenso erschrocken, wie auch Du erschrecken wirst. Aber ich habe einen Trost. Ich kenne Dein starkes, tapferes Herz und bin überzeugt, daß Du aus dem inneren Kampf siegessicher hervorgehen wirst.
Ich wollte Dir heute die Zeilen selbst bringen, um bei Dir sein zu können mit meinem brüderlichen Rat. Leider aber haben wir grad heute abend eine sehr notwendige Besprechung in Beziehung des Prozesses gegen den Silberbauern, und so kann ich nicht kommen. Da mir aber der Inhalt des Schreibens so sehr wichtig erscheint, darf ich Dir denselben keinen Augenblick vorenthalten, und so sende ich Dir das Vermächtnis Deiner guten Mutter durch einen Boten.
Es ist anzunehmen, daß meine Mutter sich bei Dir befindet, wenn Du meine Zeilen erhältst. Das tröstet mich, denn ihr Beistand wird Dich aufrichten und Dir die Beruhigung gegen, welche ich Dir durch meine Gegenwart doch wohl nicht in dieser Weise bringen könnte. Morgen komme ich ganz gewiß. Bis dahin wirst Du zu einem Entschluß gekommen sein, den zu vernehmen sehr wißbegierig ist
Dein Bruder Max Walther.“
Sie hatte gelesen und legte den Brief auf den Tisch. Ihr Auge war dunkel und mit einem unbeschreiblichen Blick auf Frau Holberg gerichtet. Diese sagte:
„Das, das schreibt Max! Kind, das klingt freilich Unglück verheißend!“
„Und doch ist das, was er meint, noch viel schlimmer, als man ahnen möchte.“
„Was ist's? Sage es; laß es mich wissen. Komm her aufs Sofa! Setzen wir uns nieder. Bitte, bitte, Milda!“
Das Mädchen ließ sich von ihr auf das Sofa ziehen und faltete dann das Schreiben ihrer Mutter auseinander.
„Den Inhalt, so weit er zu lesen war, kennst du bereits. Nun aber kommt das Weitere, welches erst jetzt zu enträtseln ist.“
„Lies es vor! Schnell! Ich kann es kaum erwarten!“
„So höre!“
Ihre Lippen waren vollständig blutleer, und ihr Gesicht besaß nicht die mindeste Spur von Farbe. Sie las langsam und mit tonloser Stimme:
„Ich bin Teilhaberin
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